Geschichten und deren Geschichte

Die Literaturgeschichte bietet eine breite Spanne unterschiedlicher Werke, angefangen von den Epen der klassischen Antike und den verschiedenen Werken des Mittelalters, bis zur Moderne der Gegenwartsliteratur. Spannendes Lesevergnügen kann man in jeder Epoche finden, für junge Leser ebenso wie für junge.

Deutschsprachige Literaturgeschichte bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts

Die Wurzel der deutschsprachigen Literatur bildet wohl das Nibelungenlied, das dem Interessierten heute in verschiedenen Fassungen zur Verfügung steht, angefangen vom mittelhochdeutschen Versen, über Übersetzungen in die deutsche Sprache bis zu schwungvollen Nacherzählungen, wie sie beispielsweise ein Michael Köhlmeier schuf. 

Der Minnegesang des Mittelalters ging in der Renaissance dann in den Meistergesang über – Hans Sachs als bekanntester Vertreter ist uns aus dem Deutschunterricht wohl noch allen bekannt. Neben den Meistersingern entwickelten sich aber auch das Volksbuch mit seinen Sagen, Fabeln und Legenden, sowie Schwank und Fastnachtsspiel, die alle neben dem erwünschten Unterhaltungswert vor allem belehrenden Charakter hatten. Bekannte Romane dieser Zeit wären die heute meist ins Kinderzimmer übersiedelten „Baron von Münchhausen“ und „Till Eulenspiegel“. Neben höfisch-historischen Romanen und Schäferromanen, quasi den „Drei-Groschen“-Liebesromanen jener Zeit, waren auch im Barock die Schelmenromane weiter ein Thema. Das wohl bekannteste Beispiel ist Simplicissimus von einem gewissen Grimmelshausen.

Nach dem dreißigjährigen Krieg hat sich in Europa nicht nur die politische Landschaft stark verändert, auch die Aufklärung selbst hat speziell vonseiten der Philosophen eine neue Ordnung geprägt. Der bekannteste Vertreter unter ihnen, Immanuel Kant, dessen Wort über das Hören ich andernorts immer gerne zitiere, sagte: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit,“ und weiter, unmündig sei ein Mensch, wenn er seinen Verstand nicht ohne fremde Leitung einsetze, und selbstverschuldet sei dieses Verhalten, sofern es in Unschlüssigkeit oder Mutlosigkeit wurzle. Kant verlangt von uns also ein minimales Maß an Eigenverantwortlichkeit, und diese Eigenverantwortlichkeit bedarf einer gewissen Persönlichkeitsentwicklung, die wiederum über die Literatur gefördert und geleitet wird. Ephraim Lessing tat mit seinen Werken, besonders bekannt „Nathan der Weise“, das seine dazu, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Aktuelle Gesellschaftsthemen wurden erstmals im Sturm und Drang behandelt. War für jene Epoche das Drama die wichtigste Literaturgattung, so haben gerade auch die hervorragendsten Vertreter Goethe, Schiller und Herder einiges an Epik hinterlassen. Doch so wie diese Schriftsteller ihre Sturm- und Drangjahre hinter sich ließen, ist auch die gesamte Literatur in die Klassik übergegangen, wo zwar wieder Kant die Oberhand, aber Idealismus als Zielsetzung blieb erhalten und die gleichen Autoren wie im Sturm und Drang dominierten. In dieser Schaffensperiode schuf neben dem typischen Bildungsroman (Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ gilt als Paradebeispiel der Gattung) besonders Schiller auch weit bekannte Balladen: Man denke nur an „Das Lied von der Glocke“, „Die Kraniche des Ibykus“ oder „Die Bürgschaft“, die Generationen von Schülern auswendig lernen mussten.

Die Romantik mit ihrer Verschmelzung von Philosophie, Literatur und Naturwissenschaften löste schließlich die strenge Klassik ab. Besonders epische Kurzformen, wie Erzählung, Novelle (man kennt Joseph Freiherr von Eichendorff) und Märchen, waren sehr beliebt. In der Hochromantik waren zum Beispiel die Gebrüder Grimm als Sammler der Haus- und Volksmärchen tätig, aber auch E.T.A. Hoffmann beschenkte uns mit einer Vielzahl von Kunstmärchen.

Im Biedermeier sind in Österreich natürlich vor allem Bühnenstücke, besonders die Zauberstücke von Nestroy und Raimund bekannt. Doch Grillparzer, Stifter und Konsorten haben auch für epische Werke, vor allem für die Kurzform der Novelle, Kurzgeschichte und der Studie gesorgt.

Vor der Jahrhundertwende bescherten uns dann Realismus und Naturalismus eine wahre Flut an Literatur. Neben der Novelle, die auch in dieser Zeit von Bestand blieb, erlebte der Roman in verschiedenen Formen wieder einen Aufschwung. Neben großen Namen wie Storm, Stifter, Keller, Fontane und Grillparzer, oder die Österreicher Ferdinand von Saar oder Marie von Ebner-Eschenbach, sowie dem Deutschen Gerhard Hauptmann und vielen mehr, findet sich nun auch durchaus erfolgreiche Trivialliteratur für Jugendliche.

Alles Gegenwartsliteratur?

Das zwanzigste Jahrhundert wurde dann in vielfältigsten Literaturgattungen von Leuten wie bereits genannten Gerhart Hauptmann, aber auch Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Arthur Schnitzler, Friedrich Dürrenmatt oder Stefan Zweig eingeleitet. Besonders letzterer schuf ein sehr vielfältiges Werk angefangen von Legenden, die auch problemlos von Teenagern gelesen werden können, über viele Novellen („Die Schachnovelle“ war lange ein absolutes Muss an österreichischen Schulen mit Matura-Abschluss), historischen Momentaufnahmen („Sternstunden der Menschheit“) und unterhaltsam geschriebenen Biographien, bis zu seiner Autobiographie „Die Welt von gestern“. Während Schnitzler die gesellschaftlichen Phänomene der Zeit noch oft auf soziologischer Basis kritisch betrachtet und dabei ganz nebenbei den inneren Monolog (wie bei „Leutnant Gustl“) tragende Rolle zukommen lässt, bringt die Bekanntschaft zu Sigmund Freud bei Zweig den eindeutigen Einzug der phychoanalytischen Gedankenstruktur in die Literatur mit sich (zum Beispiel in „Angst“).

Wie Zweig mussten auch Friedrich Torberg, der Verfasser der legendären „Tante Jolesch“ aber auch des Erstlingsromans „Der Schüler Gerber“, Elias Canetti und mit ihm viele andere vor dem NS-Regime fliehen. Doch während ersterer im Exil starb, konnte Torberg nach Kriegsende nach Österreich zurückkehren und uns mit weiteren Werken erfreuen.

Nicht erst die 60-Jahre trieben Künstler wie die Beatles nach Indien, sodass die Eindrücke dieser Reise in ihrer Musik Niederschlag fand, auch Hesse war schon Jahre vorher am Subkontinent und hat unter anderem für sein Werk „Siddhartha“ recherchiert, aber auch „Das Glasperlenspiel“ oder „Steppenwolf“ kommen aus seiner Feder.

Wenn man in der Klassik die Balladen erwähnt, so darf auch in der Nachkriegsliteratur die Lyrik mit Vertretern wie beispielsweise Erich Fried und dessen Liebesgedichten nicht ganz untergehen, wenngleich gerade Fried aufgrund seines politischen Engagements zu den sehr umstrittenen Künstlern der Nachkriegszeit zählt.

In meiner Schulzeit hatte man diese Autoren alle noch zur Gegenwartsliteratur gezählt, doch heute spricht man von der Nachkriegsliteratur oder eben der Gruppe 64 oder den 78ern. Gegenwartsliteratur aus heutiger Sicht ist neben dem Werk der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek vor allem jenes des Österreichers Christoph Ransmayr. Sein Roman „Der fliegende Berg“, der sprachlich ungemein hohe Qualität aufweist, ist auch als ungekürztes Hörbuch zu haben. Natürlich darf auch ein Michael Köhlmeier nicht fehlen. Er zeichnet neben zahlreichen Nacherzählungen klassischen Materials auch für einige bemerkenswerte Romane verantwortlich, wie zum Beispiel „Abendland“. „Der König in seinem Exil“ von Arno Geiger stellt ebenfalls ein wunderbares aktuelles Exemplar aus der deutschsprachigen Belletristik dar. Besonders viel Beachtung fand Daniel Kehlmann mit „Die Vermessung der Welt“ – das angeblich zweithäufig verkaufte deutschsprachige Werk.

Das meist verkaufte deutschsprachige Werk ist aber immer noch „Die Blechtrommel“ aus der „Danziger Trilogie“ von Günter Grass, einem Mitglied der Gruppe 64 der Nachkriegsliteratur. Es war in einer damals sehr umstrittenen Verfilmung in den 80er-Jahren auch im österreichischen Fernsehen zu sehen und hat seither nicht an Popularität verloren.

Autor: Eva Kohl, © Gehört.Gelesen 2015

Mit freundlicher Genehmigung des CIA und der Redaktion der Gehört.Gelesen