Die Werke des 19. Jahrhunderts werden heute vielfach als Jugendliteratur gehandelt und waren zum Teil auch schon bei ihrer Schaffung als solche gedacht. Als Vorlage für zahlreiche Verfilmungen haben sie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch den Eintritt ins Fernsehzeitalter und manches Werk – zumindest in Auszügen – sogar ins Internet geschafft.
Am 6. Juni 2015 verstarb der 86jährige Schauspieler Pierre Louis Baron de Bris an den Folgen einer Lungenentzündung. Der Abschied von ihm führt uns direkt in die deutschsprachige Literatur des 19. Jahrhunderts zurück, denn im deutschsprachigen Raum erinnern sich Generationen von Film- und Fernseh-Fans, wie er als Appachenhäuptling mit französischem Akzent sein Gebet an den pantheistischen „Manitou“ hauchte – obwohl Pierre Brice, so sein Künstlername, in früheren Filmen ja stets synchronisiert worden war. Der in seiner Heimat wenig bekannte Darsteller galt bei uns als DIE Verkörperung des Indianers Winnetou aus den gleichnamigen Romanen von Karl May.
Karl May wurde 1842 als Carl Friedrich May, fünftes von vierzehn Kindern einer armen Weberfamilie, geboren. Als einzig überlebender Sohn wurde er von seinem Vater gefördert und gefordert und
sollte Lehrer werden. Doch seine erste Vorstrafe aufgrund einer Bagadelangelegenheit vereitelte diese Laufbahn und es war ihm vorerst nicht möglich, seinen Lebensunterhalt im Rahmen eines
bürgerliches Lebens zu verdienen. So ließ er sich zu mancherlei Kleinkrimminalität verleiten - Diebstahl, Betrug und Hochstapelei - für die er ins Zuchthaus kam.
Nach seiner Entlassung 1874 kamen May die Umgestaltung der Zeitungslandschaft und die Neugründungen im Verlagswesen zugute. Er veröffentlichte vielfältige Unterhaltungsliteratur,
Kolportageromane, Abenteuerromane und Jugenderzählungen, aber auch populärwissenschaftliche Texte, auch unter verschiedenen Pseudonymen. Bekannt geworden ist er jedoch für seine Reiseromane über
Nordamerika, Mexiko und den Vorderen Orient.
Wohl bereiste Karl May 1899-1900 tatsächlich den Orient, sowie 1908 Amerika, doch seine Reiseromane waren zu diesem Zeitpunkt schon alle erschienen. Trotzdem versuchte er über lange Zeitphasen
hindurch mit enormen Aufwand den Ich-Erzähler der verschiedenen Winnetou-Romane, Old Surehand, mit seiner realen Person verschmelzen zu lassen, was ihm wieder den Vorwurf der Hochstapelei und
Lüge einbrachte. Ebenso erfunden dürfte ein Doktortitel sein, dessen er sich einige Jahre hindurch bediente. Karl May verfügte also offenbar über eine blühende Phantasie, die er aber teilweise
auch aus den Werken anderer Autoren (der bekannteste davon Friedrich Gerstäcker) nährte. So gesehen erscheint es etwas eigenartig, wenn er in seinen Spätwerken dann moralisch-philosophische
Ansätze auszuarbeiten versuchte.
May widersetzte sich in seinen Werken zwar stets bewusst den ethnologischen Vorurteilen der damaligen Gesellschaft, nach den Maßstäben der heutigen Zeit muss man aber doch auch von einigen
rassistischen Formulierungen sprechen. Die Nachbearbeitung des Nachlasses nach seinem Tod 1912 durch den Karl-May Verlag fügte eine nationalsozialistische Prägung zu, die von Karl May selbst wohl
nicht vorgesehen war. Heute bietet der Verlag aber auf www.karl-may.de unter
dem Begriff „Gesammelte Werke“ nicht nur E-Bücher und Druckausgaben im klassischen Design, sondern auch ungekürzte Lesungen der Romane im MP3-Format. Einige kürzere Texte von Karl May finden sich
auch als mp3- und pdf- Dateien bei www.vorleser.net.
Mit seinem umfangreichen Werk und Überstzungen in 33 Sprachen muss man Karl May als einen der bedeutendste Autoren von Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland bezeichnen, er könnte
aber ebenso eine Romanfigur seiner Zeitgenossinnen Marie von Ebner-Eschenbach sein, die aus einer Gesellschaftsschicht stammt, die konträrer wohl nicht sein könnte.
© Eva Kohl 2015
„Eltern verzeihen ihren Kindern die Fehler am schwersten, die sie ihnen selbst anerzogen haben.“
Welcher Pupertierende würde diesen Ausspruch Marie von Ebner-Eschenbachs nicht gerne mit süfisantem Lächeln zitieren, wenn er einen Konflikt mit den Eltern hat. Für die Jugend ist das Sammeln von
Sprüchen wie diesem wohl in jeder Generation besonderen reizvoll. Hatten Teenager früher lehrreiche oder weise Aphorismen gesammelt, um sich anschließend damit in den Poesiealben der FreundInnen
zu verewigen, so verschickt die heutige Jugend diverse witzige Sprüche mit teilweise durchaus kritischen Inhalten via E-Mail, WhatsApp und Co. Heute wie früher zieren die eindrucksvollsten unter
ihnen die beschmierten Heft- und Buchumschläge der Gymnasiasten.
Vielleicht ist es ja auch wenig überraschend, dass gerade eine unkonventionelle Frau wie Ebner-Eschenbach neben anderer literarischer Werke eine schier unzählbare Vielfalt an Aphorismen und
Sprüchen hinterlassen hat. Was man heute in rauen Zahlen in diversen Sprüchesammlungen im Internet findet, hatte sie selbst in Sammlungen wie „Aphorismen“ oder „An die Jugend“ zusammengestellt
und publizierte. Gängige erziehereische Ratschläge werden mit „Der Gescheitere gibt nach! Ein unsterbliches Wort. Es begründet die Weltherrschaft der Dummheit“ widerlegt, mit „Nenne dich nicht
arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat“ vermittelt sie tröstliche Gedanken, um sogleich dringende Grenzen einzufordern: „Der
abscheulichste Einbruch ist der in die heiligen Gefühle eines Menschen.“
Marie von Ebner-Eschenbach wurde 1830 als Freiherrin Dubský auf Schloß Zdislawitz in Mähren (heutiges Tschechien) geboren und wuchs dort und in Wien auf. Obwohl Alt-Österreicherin, war ihre
Muttersprache Französisch, doch durch ihre mehrsprachige Erziehung beherrschte sie ebenso Deutsch und Tschechisch. Im Alter von achzehn Jahren heiratete sie ihren Cousin Moritz von
Ebner-Eschenbach, mit dem sie 1856 gänzlich nach Wien übersiedelte, wo sie bis zu ihrem Tod 1916 lebte.
Als außergewöhnliche Frau ihrer Zeit absolvierte die adelige Ebner-Eschenbach offenbar aus reinem Interesse und um ihre umfangreiche Uhrensammlung selbst warten zu können, eine
Uhrmacherausbildung. Das ist um so bemerkenswerter, als damals selbst die weiblichen Bürgerschaft darauf limitiert war, entweder als Ehefrau und Mutter zu leben, oder als Telefonistin oder
Kindermädchen ein Auskommen zu finden – ein Handwerk war für eine Adelige eigentlich undenkbar. Ebner-Eschenbach entwickelte aber eine wahre Leidenschaft für Uhren – so handelte auch ihr erster
erfolgreicher Roman, „Lotti, die Uhrmacherin“, von einer Uhrmachermeisterin.
Die Schriftstellerin war nicht genötigt, durch ihr Schreiben das Familieneinkommen aufzubessern, sondern versuchte vielmehr damit die Gedanken ihrer Zeit zu verändern, sowie Sittlichkeit und
Humanismus zu vermitteln. Das versucht sie aber stehts auf kurzweilige, unterhaltsame Art und wandte sich mit diesen ihren Werken ganz bewusst an die Jugend.
Eignen sich Sprüche und Weisheiten wenig als Vorlage für ein Hörbuch, so sind gerade für Teenager die Erzählungen und Tiergeschichten durchaus lesenswert, wenngleich oftmals etwas traurig. Eines
der bekanntesten Beispiele dürfte wohl die Tiergeschichte „Krambambuli“ sein, deren Kern auf eine wahre Begebenheit beruht. Es geht um einen Hund, dessen vortrefflichste Eigenschaft seine Treue
ist, selbst dann, als sein Herr ihm gegenüber keine Treue und kein Mitgefühl zeigt. War Krambambuli ursprünglich der Begleiter eines Landstreichers, so machte ein angesehener Jäger ihn mit viel
Mühe und Liebe zu seinem Jagdhund. Doch als es zu einer tödlichen Konfrontation zwischen früherem und jetztigem Herrn kommt, bringt die den treuen Vierbeiner in schier unlösbare Gewissensnot.
„Die Treue ist etwas so Heiliges, dass sie sogar einem unrechtmäßigen Verhältnisse Weihe verleiht“, fasste Marie von Ebner-Eschenbach selbst zusammen. Der Kern der Erzählung kann zwar auch auf
Liebe und Treue unter Menschen übertragen werden, doch in Form dieser Fabel ist das Thema selbst für noch jüngere Kindern fassbar und kann zum altersgemäßen Nachdenken anregen.
Die Erzählung Krambambuli, die auch mehrfach verfilmt wurde, ist Teil der 1883 erschienen „Dorf- und Schloßgeschichten“. Der Sammelband „Krambambuli und andere Tiergeschichten“ ist zwar mit
gleichem Inhalt als Druckwerk und Hörbuch zu beziehen, die Tonaufnahme ist jedoch gekürzt und daher zum Hörtraining nur bedingt verwendbar. Das Hörbuch Krambambuli & Die Totenwacht im Verlag
Audiobuch ist leider vergriffen und die Krambambuli-Tonaufnahme von Simon Pichler klingt zwar sehr deutlich, aber etwas spitz und kalt in Relation zu dem sehr bewegenden Inhalt der Geschichte,
doch der wiener Hörbuchverlag Audio-Media-Digital bietet auch eine zweite Aufnahme mit Bettina Reifschneider als Sprecherin an und es stehen auch in anderne Verlagen viele weitere Druck- und
Hörbuchausgaben zur Verfügung. So kann bei www.vorleser.net „Krambambuli“ als pdf-Datei und von Brigitte Trübenbach gelesen als mp3-File im Download bezogen werden – der vielleicht simpelste,
jedenfalls preisgünstigste Weg zum Hör- und Lesevergnügen. Andererseits bietet der Sinus-Verlag unter dem Titel „Erzählungen, Märchen und Parabeln“ fast eine Luxus-Ausgabe mit gedrucktem Textbuch
inklusive Kommentaren zum Werk, sowie drei Audio-CDs. In der Sammlung enthalten sind neben „Krambambuli“ auch Ebner-Eschenbachs zweite Hundegeschichte „Die Spitzin“, sowie fünf weitere Werke.
Umfang und Qualität der Aufnahmen rechtfertigen die knapp 35,- Euro Kaufpreis durchaus.
Autorin: Eva Kohl , © Gehört.Gelesen 2015
Mit freundlicher Genehmigung des CIA und der Redaktion der Gehört.Gelesen
Druckausgaben, E-Book und Audiobuch mp3-Format fast aller Romane
Karl May Verlag www.karl-may.de unter dem Begriff „Gesammelte Werke“
Audiobücher fast ausnahmslos ungekürzt
Einige kürzere Texte von Karl May im mp3- und pdf-Format
Audio-CD und Druckausgabe in Einem:
Erzählungen, Märchen und Parabeln, Marie von Ebner-Eschenbach, Sinus Verlag, ISBN-13: 978-3-905721-92-8, gelesen von Otto Mellies, Birgitt Minichmayr und Dagmar von Thomas
MP3- und PDF-Download von Krambambuli:
www.vorleser.net kostenfrei
Audio-CD mit mehreren Erzählungen und Novellen von
Marie von Ebner-Eschenbach:
Krambambuli & Die Totenwacht, Katharina Thalbach
und Sabine Falkenberg, Argon Verlag GmbH, ISBN-13 978-3-86610-355-9
Hörbuch-Download Krambambuli:
Audio-Media-Digital, Krambambuli, Simon Pichler
Bäng Management & Verlag, Krambambuli, Jürgen Fritsche
Audio-Media-Digital, Krambambuli, Bettina Reifschneider
Druckausgabe unter anderen:
Krambambuli und
andere Tiergeschichten: Die Spitzin, Der Fink. Hamburger Lesehefte
Heft 71, ISBN 978-3-87291-070-7
Krambambuli und andere Erzählungen, Reclam, ISBN:
978-3-15-007887-7
Krambambuli,
Bibliothek der
Provinz, ISBN 978-3-85252-097-5
Online-Text:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/krambambuli-3926/1
http://www.zeno.org/Literatur/M/Ebner-Eschenbach,+Marie+von/Erzählungen/Krambambuli