Gen 22, 1-2.9a.10-13.15-18
In jenen Tagen
1 stellte Gott Abraham auf die Probe. Er sprach zu ihm: Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
2 Gott sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebst, Isaak, geh in das Land Morija, und bring ihn dort auf einem der Berge, den ich dir nenne, als Brandopfer dar.
9a Als sie an den Ort kamen, den ihm Gott genannt hatte, baute Abraham den Altar und schichtete das Holz auf.
10 Schon streckte Abraham seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten.
11 Da rief ihm der Engel des Herrn vom Himmel her zu: Abraham, Abraham! Er antwortete: Hier bin ich.
12 Jener sprach: Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus, und tu ihm nichts zuleide! Denn jetzt weiß ich, dass du Gott fürchtest; du hast mir deinen einzigen Sohn nicht
vorenthalten.
13 Als Abraham aufschaute, sah er: Ein Widder hatte sich hinter ihm mit den Hörnern im Gestrüpp verfangen. Abraham ging hin, nahm den Widder und brachte ihn statt seines Sohnes als Brandopfer
dar.
15 Der Engel des Herrn rief Abraham zum zweiten Mal vom Himmel her zu
16 und sprach: Ich habe bei mir geschworen - Spruch des Herrn: Weil du das getan hast und deinen einzigen Sohn mir nicht vorenthalten hast,
17 will ich dir Segen schenken in Fülle und deine Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel und den Sand am Meeresstrand. Deine Nachkommen sollen das Tor ihrer Feinde
einnehmen.
18 Segnen sollen sich mit deinen Nachkommen alle Völker der Erde, weil du auf meine Stimme gehört hast.
Abraham lebte mit seiner Frau Sarah in sehr alten Zeiten. Während Abraham von dem einen Gott gehört hatte, glaubten seine Nachbarn viele verschieden Götter, ganze Götterscharen. Wer heute auf einer Urlaubs- oder Studienreise alte Städte, zum Beispiel Troja besucht, kann dort noch die Reste alter Opferaltäre bestaunen. Denn diesen Göttern Opfer darzubringen, das war selbstverständlich – auch Menschenopfer.
Ist es für uns vielleicht abschreckend, von Menschenopfern zu reden, auch nur an sie zu denken, so war die Stelle ursprünglich wohl befreiend gemeint, denn unser Gott verzichtet auf Menschenopfer.
Aber da gibt es einen anderen Aspekt, den wir nicht übersehen sollten:
Abraham war ein alter Mann. Er war schon ein Greis, als sein Sohn geboren wurde – ein Wunder, in diesem Alter noch Vater zu werden. Dieser Sohn war nicht nur die Liebe seiner Eltern, er war
ganz nüchtern betrachtet auch ihre Altersvorsorge. Ohne Kinder waren Menschen, deren Kraft schwand, dem Elend preisgegeben.
In der ersten Lesung geht es daher weniger um blinden Gehorsam, sondern ganz stark um Vertrauen auch dort, wo ich selbst mich nicht durchsehe.
Jes 5, 1-7
1 Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
2 Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all
ihre Sünden.
3 Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott!
4 Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben.
5 Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.
9 Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht,
da ist euer Gott.
10 Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her.
11 Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.
1979 nahm die schwedische Popgruppe ABBA das Lied „I have a dream“ auf. Darin heißt es:
...Ich habe einen Traum,
...Ich habe einen Traum,
eine Fantasie, um mir den Weg
durch die Wirklichkeit zu erleichtern.
Und für mein Ziel lohnt es sich,
eine weitere Meile durch die Dunkelheit
zu gehen. ...
Wir alle brauchen Träume, die uns helfen weiterzukommen, besonders dann, wenn das Leben gerade nicht so einfach ist. Als junger Mensch träumt man vielleicht vom Schulabschluss, von der ersten eigenen Wohnung oder von einer Familiengründung, von einer Weltreise, ausgelassenen Parties oder vom Traumberuf. Diese Träume sind mehr für uns als bloß eine Phantasie. Sie sind Ziele, die wir anstreben und sie geben uns die Kraft und Motivation, uns für diese Ziele auch anzustrengen.
Auch das Buch Jesaja erzählt von einem Traum. Es ist der Wunschtraum des Volkes Israel vom Ende des Babylonischen Exils – ein sehr groß gegriffener Traum. Ein Traum, der wie wir wissen, Wirklichkeit geworden ist. Zurückgekehrt nach Jerusalem träumen die Israeliten weiter – sie träumen vom Kommen des Messias.
2500 Jahre später greift Martin Luther King unter anderen diesen Text auf. Er träumt von gleichen Rechten für die Schwarzen in den USA. Martin Luther King ist letztlich für seinen Traum gestorben – wie sein Freund Ralph Abernathy sagte: „Ein Mensch, der nichts gefunden hat, wofür es sich lohnt zu sterben, der hat auch nichts gefunden, wofür es sich lohnt zu leben.“
Vielleicht dachten auch die Juden in den Konzentrationslagern an diesen Text, als sie auf die Befreiung hofften. Während die Welt angesichts des Vietnam-Kriegs den Atem anhielt, träumte in Großbritannien John Lennon von einer friedlichen Welt. Und vielleicht ging auch für die Menschen in Osteuropa durch den Fall der Berliner Mauer und die Öffnung der Grenzen ein ähnlicher Traum in Erfüllung.
Heute sind es andere Orte, aber immer noch toben Kriege und werden Menschen unterdrückt.
Sind heute schon alle Träume ausgeträumt? Wer träumt heute solche Träume von der Befreiung?
Wie weit sind wir bereit uns für große Träume einzusetzen?
Lassen wir uns heute mit bescheidenen Hoffnungen abspeisen, aus lauter Angst vor Enttäuschung?
Oder haben wir Vertrauen und wagen wir auch heute solch große Träume?
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit dem Litrugie-Team und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
Jes 5, 1-7
1 Ich will ein Lied singen von meinem geliebten Freund, ein Lied vom Weinberg meines Liebsten. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fruchtbaren Höhe.
2 Er grub ihn um und entfernte die Steine und bepflanzte ihn mit edelsten Reben. Er baute mitten darin einen Turm und hieb eine Kelter aus. Dann hoffte er, dass der Weinberg süße Trauben
brächte, doch er brachte nur saure Beeren.
3 Nun sprecht das Urteil, Jerusalems Bürger und ihr Männer von Juda, im Streit zwischen mir und dem Weinberg!
4 Was konnte ich noch für meinen Weinberg tun, das ich nicht für ihn tat? Warum hoffte ich denn auf süße Trauben? Warum brachte er nur saure Beeren?
5 Jetzt aber will ich euch kundtun, was ich mit meinem Weinberg mache: Ich entferne seine schützende Hecke; so wird er zur Weide. Seine Mauer reiße ich ein; dann wird er zertrampelt.
6 Zu Ödland will ich ihn machen. Man soll seine Reben nicht schneiden und soll ihn nicht hacken; Dornen und Disteln werden dort wuchern. Ich verbiete den Wolken, ihm Regen zu spenden.
7 Ja, der Weinberg des Herrn der Heere ist das Haus Israel, und die Männer von Juda sind die Reben, die er zu seiner Freude gepflanzt hat. Er hoffte auf Rechtsspruch - doch siehe da:
Rechtsbruch, und auf Gerechtigkeit - doch siehe da: der Rechtlose schreit.
Ps 80, 9,12-16,19-20 (R: Jes 5,7a)
(R: Jes 5,7a) Der Weinberg des Herrn der Heere ist das Haus Israel.
9 Du hobst in Ägypten einen Weinstock aus,
du hast Völker vertrieben, ihn aber eingepflanzt.
12 Seine Ranken trieb er hin bis zum Meer
und seine Schösslinge bis zum Eufrat.
13 Warum rissest du seine Mauern ein?
AlSeine Ranken trieb er hin bis zum Meer
und seine Schösslinge bis zum Eufrat.
13 Warum rissest du seine Mauern ein?
Aleine Schösslinge bis zum Eufrat.
13 Warum rissest du seine Mauern ein?
Alle, die des Weges kommen, plündern ihn aus.
14 Der Eber aus dem Wald wühlt ihn um,
die Tiere des Feldes fressen ihn ab.
15 Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu!
Blicke vom Himmel herab, und sieh auf uns!
Sorge für diesen Weinstock
16 und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt.
19 Erhalt uns am Leben!
Dann wollen wir deinen Namen anrufen und nicht von dir weichen.
20 Herr, Gott der Heerscharen, richte uns wieder auf!
Lass dein Angesicht leuchten, dann ist uns geholfen.
Mt 21, 33-44
In jener Zeit sprach Jesus zu den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes:
33 Hört noch ein anderes Gleichnis: Es war ein Gutsbesitzer, der legte einen Weinberg an, zog ringsherum einen Zaun, hob eine Kelter aus und baute einen Turm. Dann verpachtete er den Weinberg
an Winzer und reiste in ein anderes Land.
34 Als nun die Erntezeit kam, schickte er seine Knechte zu den Winzern, um seinen Anteil an den Früchten holen zu lassen.
35 Die Winzer aber packten seine Knechte; den einen prügelten sie, den andern brachten sie um, einen dritten steinigten sie.
36 Darauf schickte er andere Knechte, mehr als das erste Mal; mit ihnen machten sie es genauso.
37 Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben.
38 Als die Winzer den Sohn sahen, sagten sie zueinander: Das ist der Erbe. Auf, wir wollen ihn töten, damit wir seinen Besitz erben.
39 Und sie packten ihn, warfen ihn aus dem Weinberg hinaus und brachten ihn um.
40 Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt: Was wird er mit solchen Winzern tun?
41 Sie sagten zu ihm: Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist.
42 Und Jesus sagte zu ihnen: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen
geschah dieses Wunder?
44 Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen der Stein aber fällt, den wird er zermalmen.
43 Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.
Im Evangelium heißt es, das Reich Gottes würde jenen gegeben, die Früchte bringen.
Was es bedeutet, Früchte zu bringen, das diskutieren wir ja oft – aber was ist das Reich Gottes eigentlich, wie sieht es dort aus?
In der aktuellen Stelle des Evangeliums wird das Reich Gottes mit einem Weinberg verglichen. An anderen Textstellen gibt es in der Bibel viele weitere Gleichnisse und Bilder zum Reich Gottes. Vielleicht hat auch jeder von uns ein wenig sein eigenes Bild, wie das Reich Gottes aussehen müsste: Ein Platz, an dem Menschen respektiert werden, in Gemeinschaft leben, in Liebe und Gerechtigkeit. Der Platz, an dem für alle Frieden und Vertrauen herrschen, Glück, Gelassenheit und Vergebung. Die Bibel hat dazu die Bilder vom Weinstock und den Reben, vom Lamm, das an der grünen Au am Wasser weiden darf und von jenem Platz, an dem Schaf und Wolf friedlich miteinander umgehen und Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet werden. Ein recht idyllisches Plätzchen also?
Wenn wir diese Hinweise zum Reich Gottes zu einer Art Landkarte gruppieren würden - eine Landkarte vom Reich Gottes - dann könnte die äußere Form dieser Landkarte durchaus auch die Form
Österreichs haben. Denn eigentlich ist das Reich Gottes ja schon jetzt da, hier, in Österreich, unter uns - immer dann, wenn wir all die Dinge realisieren, die in der Bibel als Reich Gottes
beschrieben werden.
Auch das steht schon in der Bibel: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn:
Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch“ (LK 17,20-21)
Eine ungewöhnliche Formulierung ist in der heutigen Textstelle noch enthalten, die im heutigen Sprachgebrauch schwierig zu verstehen ist: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist
zu Eckstein geworden.“
Ich war vor einigen Jahren in der Türkei und habe dort die alte Palastanlage von Troja besichtigt. Diese Palastanlage stammt aus einer Zeit bevor Jesus als Mensch unter uns gelebt hat. Die
Anlage ist von gewaltigen Mauern umgeben.
Heute baut man so eine Mauer mit Ziegeln und Beton oder Mörtel: also einem Gemisch aus Zement, Kalk, Sand und Wasser. Die Mauern dort waren aber ganz ohne Mörtel gemacht, ohne Bindematerial - das waren nur Steine, die man übereinander schlichtet. Wenn man Steine einfach nur aufschichtet, wird das aber eine sehr instabile Mauer – sobald jemand ankommt, kippt sie um. Gerade besagte Anlage in der Türkei befindet sich aber in einem Erdbebengebiet und steht trotzdem schon seit tausenden von Jahren unbeschadet - ganz, ganz fest.
Um der Wand diese Festigkeit zu verleihen, haben die Bauleute damals einen simplen Trick verwendet: Die haben Steine, die eigentlich gar nicht hineingepasst haben, zwischen die normalen
Steine hinein verkeilt. Diese verkeilten Steine haben der Mauer letztlich ihre Festigkeit verliehen, halten die ganze Mauer. Und diese Steine nennt man Ecksteine - die, die eigentlich gar
nicht passen, sind die, die dann in Wirklichkeit alles in einem festen Gefüge halten.
Jesus zitiert damit den Psalm 118 - dort geht es darum, dass Gott den Menschen hilft, dass er sie schützt und sie letztlich bei ihm sicher und geborgen sind.
Auch wir können und sollen zu Ecksteinen für das Reich Gottes werden – obwohl oder gerade weil wir nicht perfekt sind.
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit dem Litrugie-Team und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
Mt 15, 21-28- Religiöses Multi-Kulti oder was? Evangelium des 20. Sonntags im Jahreskreis A - 20. August 2017
Mt 14, 22-33
In jener Zeit
21 zog Jesus sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück.
22 Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält.
23 Jesus aber gab ihr keine Antwort. Da traten seine Jünger zu ihm und baten: Befrei sie von ihrer Sorge, denn sie schreit hinter uns her.
24 Er antwortete: Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt.
25 Doch die Frau kam, fiel vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!
26 Er erwiderte: Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.
27 Da entgegnete sie: Ja, du hast Recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
28 Darauf antwortete ihr Jesus: Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt.
Da kommt eine Frau zu Jesus, die große Sorge um ihre Tochter hat. Statt ihr und ihrer Tochter zu helfen, ignoriert Jesus die Frau anfangs, dann vergleicht er sie gar mit einem Hund. „Du Hund“, auch heute ein Schimpfwort, wiegt im Volk Israel um mehr, da der Hund bei Juden als unrein gilt! Das entspricht nicht dem Bild, das sonst in den Evangelien von Jesus gezeichnet wird: Was hat die Frau Jesus getan?
Die Frau ist Kanaaniterin, also keine Jüdin sondern Heidin. Schon die Ägypter haben auf die Kanaaniter herabgeblickt. Sie gehört historisch betrachtet zu den Feinden Israels, denn es waren die Kannaniter, die vor dem Volk Israel im Gelobten Land lebten, die in der Schlacht von Jericho von den Israeliten besiegt wurden, die fremde Götter wie Bal anbeteten und deren Tun sogar manche Israeliten vom Weg abbrachte.
Es ist aber letztlich die Kanaaniterin, deren Glaube Jesus so überzeugt, dass er ihrer Tochter hilft. Und das, ohne von Mutter oder Tochter zu fordern, dass diese ihre heidnischen Götter aufgeben sollen!
Auch wir begegnen heute vielfach Gläubigen anderer Religionen. Das zweite Vatikanische Konzil hat als Hilfestellung und Richtlinie eine Erklärung dazu verfasst: Nostra Aetate. Wir werden darin aufgefordert, als Christen einen ‚guten Wandel unter den Völkern‘ zu führen. Wir sollen Christus bekennen und an ihm festhalten, aber auch die geistlichen und sittlichen Güter und sozial-kulturellen Werte anderer Religionen anerkennen, wahren und sogar fördern.
Wie uns im Neuen Testament einige Briefe der Apostel an christliche Gemeinden erhalten sind, so schreiben auch heute noch die Päpste Briefe an unsere Gemeinden. Auch Papst Franzkus hat schon mehrere solcher Briefe an uns verfasst, sogenannte apostolische Schreiben. In ‚Evangelii gaudium‘ - ‚Die Freude des Evangeliums‘ greift er ab Absatz 247 das Judentum und den Islam als abrahamitische Religionen heraus. Er greift dann aber noch viel weiter. Er fordert uns auf, in klarer und froher Identität zur eigenen Überzeugung zu stehen. Gleichzeitig aber könnten wir aus dem Reichtum nichtchristlicher Religion Nutzen ziehen, der uns helfen kann, unsere Überzeugungen besser zu leben.
Die Koooperationen der moslemischen Jugend auch mit christlichen Hilfsorganisationen während des Ramadan wurden in den Medien vielfach betont. Flüchtlingshilfe ist uns ein gemeinsames Anliegen – auch über den Ramadan oder die vorösterliche Fastenzeit hinaus. In unserer Gemeinde durften wir im Bereich der Flüchtlingsbetreuung auch die Unterstützung der nahen Sikhs-Gemeinde erfahren.
Aber es geht primär nicht um große Projekte und Hilfsaktionen – auch in den kleinen Begegnungen des Alltags durfte ich schon mehrfach erleben, wie Angehörige anderer Religionen ihren Glauben leben:
Als ich vor langen Jahren die Schriftfestigkeit der Zeugen Jehovas beobachten durfte, die ihren Königreichssaal gleich ums Eck hatten. Sie haben die Schrift anders übersetzt und anders verstanden als wir Katholiken, aber sie kannten sie in weiten Teilen auswendig!
Als mein Arbeitskollege Tarik, ein bosnischer Moslem, am Freitag im Advent im Büro die Kerzen am Adventkranz für uns angezündet hat. Wir waren alle nur mit dem Job beschäftigt, aber er hat uns erinnert, dass manchmal die Arbeit zurückstehen muss, weil wir ein Fest, ein christliches Fest, zu feiern haben.
Als ich zum Plaudern zu der Flüchtlingsfamilie auf Besuch kam, die bei uns in der Gemeinde betreut wurde. Obwohl die Familie immer sehr gastfreundlich war, hat sich die Mutter Hanadi an diesem Abend entschuldigt hat, bevor sie für mich da ist, müsse sie noch ihr Abendgebet zu verrichten – das islamische Tagzeitengebet quasi.
Als ich ein Buch über die Grundzüge des Islam las. Dort wurde der Analphabetismus des Propheten Mohamed erklärt, indem er mit der Jungfräulichkeit Marias verglichen wurde. Für mich war das eine Möglichkeit, endlich diesem christlich-katholischen Geheimnis etwas näher zu kommen.
Ich habe in der Begegnung mit Andersgläubigen schon oftmals gelernt. Ich habe mich manchmal beeindruckt oder sogar beschämt gefühlt. Ich war auch oft veranlasst, meinen eigenen Glauben und meinen eigene Glaubenspraxis zu hinterfragen.
Ein Satz im Rundschreiben ‚Evangelii gaudium‘ von Papst Franziskus hat mich stutzig gemacht: Für den Dialog sei die Bildung der Gesprächspartner wichtig. Ein gutes Buch in diesem Sinn, die Bildungsangebote christlicher Organisationen – ein erster Schritt zu einem Gespräch auf Augenhöhe?
Die französische Ordensfrau Madeleine Delbrêl war zwar nicht so sehr im Kontakt mit Juden oder Moslems, aber dafür mit ausgesprochenen Atheisten, für welche die Kommunistische Partei beinahe den Stellenwert einer Religion einnahm. Sie schrieb in ihrem Buch „Frei sein für Gott“:
„Ein sanftes Herz, um die anderen zu lieben; eines, das die anderen nicht vergewaltigt, nicht auf sie herabfährt; Jesus allein kommt von oben herab – für uns genügt es, zusammen mit allen Übrigen unten zu bleiben. Keine väterliche oder mütterliche Liebe, keine erziehende, besserwisserische, auch keine rächende, reformierende, ökonomische, soziale… Einfach geschwisterliche Liebe zu denen, die wie wir geschaffen und erlöst und damit Brüder und Schwestern von uns sind.“
Mt 14, 22-33 - Woran orientierst du dich? Evangelium des 19. Sonntags im Jahreskreis A - 13. August 2017
Mt 14, 22-33
22 Nachdem Jesus die Menge gespeist hatte, forderte er die Jünger auf, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken.
23 Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Spät am Abend war er immer noch allein auf dem Berg.
24 Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind.
25 In der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen; er ging auf dem See
26 Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst.
27 Doch Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
28 Darauf erwiderte ihm Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme.
29 Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu.
30 Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich!
31 Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.
33 Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.
Petrus, der Fischer, macht etwas, was kein Fischer jemals machen würde – er steigt aus dem sicheren Boot und geht hinaus auf´s Wasser.
Versetzen wir uns in die Person des Petrus - Wie groß ist die Hürde, den ersten Schritt zu tun. Es ist nicht einfach, sich aus der Sicherheit des Bekannten auf etwas völlig Neues, Unbekanntes einzulassen. Noch dazu um etwas zu tun, dass aller bisheriger Erfahrung widerspricht. Dieser Schritt gelingt nur mit Jesus vor den Augen.
Ich persönlich kann mich in dieser Situation mit Petrus sehr gut identifizieren. Er hat den Mut und verlässt das Boot. Aber nach ein paar Schritten sieht er die Probleme und Schwierigkeiten, die wogenden Wellen – und sein ganzer Mut geht baden.
Wie oft passiert mir das, dass ich mich – manchmal sogar etwas großspurig - auf etwas einlasse, und kaum bin ich unterwegs, verlässt mich der Mut und ich fühle mich überfordert.
Mit meinem Christ-Sein hat das spätestens dann zu tun, wenn es um Beziehungen geht.
Dazu braucht es keine ungewöhnlichen Herausforderungen und Wundertaten. Nehmen wir die engste menschliche Beziehung, ein junges Paar, das sich gemeinsam auf den Weg macht und über das erste Kind freut. Dann kommen Alltag, Trotzphase und Pubertät – wie schnell kann da der eine oder andere untergehen!
So ist es auch bei anderen Beziehungen oder Verpflichtungen, die einen längeren Atem von uns verlangen, als wir ursprünglich dachten. Und natürlich bei den ganz besonderen Herausforderungen des Lebens.
Ich habe diese Woche einen Wiener Kliniker interviewt, ein Wissenschaftler und Arzt, der seit etwa 40 Jahren mit Menschen in Extremsitationen arbeitet – als Intensiv-Mediziner und in der Tumor-Therapie. Den habe ich gefragt, was ihm die Kraft gibt für diese Arbeit. Und der hat geantwortet: Ich denke, dass der Glaube an Gott keine schlechte Unterstützung ist.
Martin Gutl hat das so formuliert:
Wohin schaust Du?
Petrus sieht Jesus
auf dem See.
Er möchte zu ihm.
Er steigt aus dem Boot,
verlässt alle Sicherheiten
und eilt dem Meister
auf dem Wasser entgegen.
Jesus gibt ihm Stärke,
solange er auf ihn schaut.
Doch dann wendet Petrus
seinen Blick für kurze Zeit ab.
Er starrt auf die Wellen und Wogen
Er sieht die Gefahr
und beginnt zu sinken.
Je nach Blickrichtung sehen wir
Halt, Hilfe, Hafen, Heimat –
oder Abgrund, Gefahr, Tod, Nichts.
Wohin schaust Du?
© Susanne Prechelmacher, Eva Kohl
Jer 20, 10-13
Jeremia sprach:
10 Ich hörte das Flüstern der Vielen: Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Wir wollen ihn anzeigen. Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, dass ich stürze: Vielleicht lässt er sich betören,
dass wir ihm beikommen können und uns an ihm rächen.
11 Doch der Herr steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und kommen nicht auf. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger,
unvergesslicher Schmach.
12 Aber der Herr der Heere prüft den Gerechten, er sieht Herz und Nieren. Ich werde deine Rache an ihnen erleben; denn dir habe ich meine Sache anvertraut.
13 Singt dem Herrn, rühmt den Herrn; denn er rettet das Leben der Armen aus der Hand der Übeltäter.
Jeremia fühlt sich ja ziemlich verfolgt. Warum eigentlich?
Am Rande gesagt: Unsere Tochter ist da nicht anders, als die meisten Teenager und auch nicht anders, als wir selbst in diesem Alter waren. Und das ist ja auch eine gute, wichtige und richtige Entwicklungsphase, denn diese Teenager sollen ja nicht ewig wie Kinder auf die Richtlinien der Erwachsenen angewiesen sein, sondern auch selbst in neuen, vorher nicht besprochenen Situationen angemessen und richtig agieren können. Eigenverantwortlich eben.
Jeremia ist in einer sehr speziellen Situation, er ist nämlich von Gott berufen, zum Propheten berufen. Er hat den Auftrag den Menschen Dinge zu sagen, die unpopulär sind, unbequem, die die anderen nicht hören wollen. Auf Gottes Weisung schwimmt Jeremia gegen den Strom und wird für seine Mitmenschen deswegen zu einem ziemlich unbequemen Zeitgenossen.
Und wie wir eben gehört haben, beklagt er sich bei Gott, dass er für seine Prophetensprüche nicht nur Unverständnis erntet, nein, sogar Menschen, die ihm eigentlich nahe stehen, wollen ihn los werden, als Verlierer sehen, als Looser. Er fühlt sich von den Menschen allein gelassen, abgelehnt, fast würde ich sagen gemobbt.
Wir sind wahrscheinlich nicht alle Propheten wie Jeremia. Aber manchmal stellen wir uns auch gegen den Strom, wenn wir nicht mit der Masse mitschwimmen – für die anderen ist das manchmal ein bisschen unbequem.
Zum Beispiel in der Klasse, wenn wir wo nicht mitmachen wollen oder können. Jetzt kommen ja endlich die Ferien. Zeugnisse mit Noten in Deutsch, Mathe, Englisch, und was man halt so in der Schule lernen muss. Religionsunterricht aber ist nicht verpflichtend. Waren früher jene Schüler die Ausnahme, welche nicht am Religionsunterricht teilgenommen haben, so ist es heute manchmal schon umgekehrt.Eine Religionslehrerin an einem Gymnasium hat mir erzählt, dass bei ihnen so wenige Schüler in Religion angemeldet sind, dass der Großteil der Schüler während der Reli-Stunden nur sinnlos wartend rumgesessen ist. Jetzt sind die Reli-Stunden alle am Nachmittag – wenn die anderen schon frei haben. Ich kann mir vorstellen, dass die paar, die in Reli gehen, sich von ihren Schulkollegen fast so alleingelassen fühlen, wie Jeremia damals. So abgelehnt, wenn die anderen schon fertig sind und gemeinsam fort gehen, wären sie in Reli gehen.
Oder wenn alle am Samstag Party machen, nur ich muss pünktlich heimgehen, damit ich am Sonntag zeitgerecht aus dem Bett komm für die Messe. Oder wenn die anderen am Sonntagvormittag zum Brunchen wollen oder wenn die Trainer das Fußball Match für Sonntagvormittag ansetzen und keiner versteht, warum ich das echt doof finde.
Wie geht es mir da, wenn ich das immer und immer wieder erklären muss. Und wie reagieren die anderen darauf. Die, die mich nicht so kennen, und die die mich nicht besonders mögen, und die die mich mögen, die meine Freunde sind. Lehen die das ab, schimpfen sie oder lachen sie, oder verstehen sie das. Wollen sie das verstehen?
Jesus Nachfolgen war auch damals nicht einfach. Aber wir sind geliebt, jeder von uns ist wertvoll, einzigartig vor Gott!
Werden wir uns bewusst, worin unsere Einzigartigkeit bestehen mag.
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit dem Litrugie-Team und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
Jes 35, 1-6a.10 - Weihnachtsfriede - kann der möglich ein? 1. Lesung des 3. Advent-Sonntags im Jahreskreis A - 11. Dezember 2016
Jes 35, 1-6a.10
1 Die Wüste und das trockene Land sollen sich freuen, die Steppe soll jubeln und blühen.
2 Sie soll prächtig blühen wie eine Lilie, jubeln soll sie, jubeln und jauchzen. Die Herrlichkeit des Libanon wird ihr geschenkt, die Pracht des Karmel und der Ebene Scharon. Man wird die
Herrlichkeit des Herrn sehen, die Pracht unseres Gottes.
3 Macht die erschlafften Hände wieder stark und die wankenden Knie wieder fest!
4 Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! Die Rache Gottes wird kommen und seine Vergeltung; er selbst wird kommen und euch erretten.
5 Dann werden die Augen der Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen.
6a Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf.
10 Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern. Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen.
Der Advent wird im Allgemeinen als friedliche Zeit betrachtet. In meinem Umfeld bin ich ja auch mehr oder weniger bemüht, Frieden zu halten und möglichst auch zu stiften – nicht nur im Advent. Aber wenn es um den großen Unfrieden dieser Welt geht – Krieg, soziale Ungerechtigkeiten, Unterdrückung und Verfolgung - was kann ich da schon ausrichten?
Der Text aus dem Prophetenbuch Jesaja stammt aus einer Zeit, in der Jerusalem vom Heer eines fremden Königs bedroht wurde. Jesaja sagt Jerusalem nicht nur Rettung zu, sondern sogar an ein Erblühen nach der Errettung. Ein Bild für das Reich Gottes für jene, die an Gott glauben, also auf Gott vertrauen.
Was Jesaja sagt, das gilt auch für uns: Wir dürfen und sollen auf Gott vertrauen. Gerade auch dort, wo es unsere Kräfte übersteigt Frieden zu stiften und Gerechtigkeit zu sichern. Dort, wo es nicht in unserem Einflussbereich liegt. Dort dürfen wir nicht nur hoffen, sondern mit Gewissheit vertrauen, dass letztlich alles gut werden wird. Aus dieser Zuversicht können wir Freude und Kraft gewinnen, aus dieser Zuversicht kann die Wüste zu blühen beginnen.
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit dem Litrugie-Team und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
2 Makk 7, 1-2.7a.9-14 - Wofür es sich lohnt, zu leben und zu sterben 1. Lesung des 32. Sonntags im Jahreskreis C - 6. November 2016
Gal 5, 1.13-18
In jenen Tagen
1 geschah es, dass man sieben Brüder mit ihrer Mutter festnahm. Der König wollte sie zwingen, entgegen dem göttlichen Gesetz Schweinefleisch zu essen, und ließ sie darum mit Geißeln und
Riemen peitschen.
2 Einer von ihnen ergriff für die andern das Wort und sagte: Was willst du uns fragen und von uns wissen? Eher sterben wir, als dass wir die Gesetze unserer Väter übertreten.
7a Als der erste der Brüder auf diese Weise gestorben war, führten sie den zweiten zur Folterung.
9 Als er in den letzten Zügen lag, sagte er: Du Unmensch! Du nimmst uns dieses Leben; aber der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken, weil wir für seine Gesetze
gestorben sind.
10 Nach ihm folterten sie den dritten. Als sie seine Zunge forderten, streckte er sie sofort heraus und hielt mutig die Hände hin.
11 Dabei sagte er gefasst: Vom Himmel habe ich sie bekommen, und wegen seiner Gesetze achte ich nicht auf sie. Von ihm hoffe ich sie wiederzuerlangen.
12 Sogar der König und seine Leute staunten über den Mut des jungen Mannes, dem die Schmerzen nichts bedeuteten.
13 Als er tot war, quälten und misshandelten sie den vierten genauso.
14 Dieser sagte, als er dem Ende nahe war: Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben. Für dich aber gibt es
keine Auferstehung zum Leben.
Wir haben vor kurzem das Fest Allerheiligen gefeiert. Lange Zeit wurden in der katholischen Kirche nur Christen heiliggesprochen, die als Märtyrer für ihren Glauben in den Tod gingen. Der hl. Martin war der erste Heilige, der nicht auch Märtyrer war.
Ich persönlich habe ein Problem damit, wenn ich das Gefühl habe, Christen würden aus missverstandenem Glauben heraus ihr Martyrium herausfordern. Unser Gott, Gottvater, den uns Jesus gezeigt hat, der Gott der Hebräer – er ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten; er bringt Leben in Fülle.
Ist es da nicht fast lächerlich, sündig, sein Leben wegen eines Stücks Fleisch hinzugeben?
Lassen wir uns vom Wortlaut der Lesung nicht irritieren: Das Verbot von Schweinefleisch steht für ein Bekenntnis des jüdischen Glaubens, über dieses Verbot definieren sich auch heute noch viele Juden als solche. Die Brüder und ihre Mutter suchen nicht den Tod, sondern sie wollen bei ihrem Glauben bleiben, in einer Umgebung, in der sie durch diesen Glauben zur Minderheit oder jedenfalls zur Opposition gehören.
So wie viel Christen auch heute.
Ich war in der Langen Nacht der Kirchen heuer beim Schweigemarsch für verfolgte Christen dabei. Da haben tatsächlich Passanten gefragt, ob es das heute denn überhaupt noch gäbe: Christenverfolgung. Ich spreche nicht davon, in der Schule oder am Arbeitsplatz für den Glauben vielleicht gehänselt zu werden, sondern ich spreche von existenz- oder lebensbedrohlichen Situationen.
Dass Christen vom sogenannten IS und anderen Extremformen des Islamismus verfolgt werden, hat sich glaube ich herumgesprochen. Führend in der Christenverfolgung ist jedoch Nordkorea. Von dort hören wir sehr wenig, weil die dortige Staatsführung es sehr gut versteht, jegliche Nachrichten und Kommunikation zu unterbinden. Je mehr Christen ihren Glauben nicht nur bekennen, sondern auch im Alltag umzusetzen versuchen, desto mehr sind sie in diesen Länder gefährdet. Über 100 Millionen Christen in über 50 Ländern derzeit.
Selbst in Österreich können sich nicht alle Menschen gefahrlos zum Christentum bekennen. Bedingt durch die großen Fluchtbewegungen gibt es zurzeit auch in Wien vereinzelt Moslems, die sich gerne einer christlichen Kirche anschließen würden. Sie gelten als Abtrünnige, als Gotteslästerer – und haben mit Reaktionen von Unverständnis und Ablehnung, über Diskriminierung und Ausschluss aus dem Familien- und Freundeskreis, bis hin zu tätlichen Angriffen zu rechnen.
Sicher, es ist nicht leicht zu verstehen, dass jemand den Glauben, den man selbst für richtig hält, ablegt und zu einem anderen Glauben wechselt. Aber wir pflegen den Wert der Religionsfreiheit, selbst wenn wir manches nicht verstehen können.
Versuchen wir zu helfen, wo wir das können. Persönlich, wenn wir von derartigen Situationen mitbekommen, und aus der Entfernung, zum Beispiel indem wir entsprechende Projekte unterstützen.
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit dem Litrugie-Team und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
Lk 10, 38-42
38 In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf, und eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.
39 Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
40 Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die ganze Arbeit mir allein überlässt? Sag
ihr doch, sie soll mir helfen!
41 Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42 Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.
Wenn wir auf Reisen gehen, dann müssen wir beim Einpacken entscheiden: Was muss in den Koffer hinein, was ist notwendig – und worauf kann ich gerne verzichten, was hat einfach keinen Platz. Manchmal ein schwieriger Entscheidungsprozess, den wir über die Jahre einüben.
Das heutige Evangelium erzählt ein Stück aus dem Leben von Jesus, aber diese Erzählung könnte man durchaus auch als allegorische Geschichte lesen: Nicht Jesus als Reisender, aber die beiden Schwestern Martha und Maria als Gastgeberinnen müssen entscheiden, was notwendig ist.
Martha und Maria stehen für Tun und Geschehen lassen, für bewirten und bedienen oder zuhören und aufnehmen. Beides braucht es und beide Eigenschaften sind Teil eines jeden von uns - aber das rechte Maß im rechten Moment zu finden ist oft auch nicht einfach. Denken wir nur an unsere großen Festzeiten: Weihnachten oder Ostern – was an Tun und Vorbereiten ist notwendig und was lassen wir besser sein und sind einfach nur da. Aber das ist nur EIN Beispiel. Wir müssen solche Entscheidungsfindung über die Jahre hin einüben und immer wieder neu überdenken – beim Feiern, im Familienleben, bei der Erziehung unserer Kinder, im Umgang mit Freunden,… Je besser es uns gelingt, desto eher können wir mit leichtem Gepäck durch´s Leben reisen.
Gal 5, 1.13-18
Brüder!
1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!
13 Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe!
14 Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!
15 Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, dass ihr euch nicht gegenseitig umbringt.
16 Darum sage ich: Lasst euch vom Geist leiten, dann werdet ihr das Begehren des Fleisches nicht erfüllen.
17 Denn das Begehren des Fleisches richtet sich gegen den Geist, das Begehren des Geistes aber gegen das Fleisch; beide stehen sich als Feinde gegenüber, so dass ihr nicht imstande seid, das
zu tun, was ihr wollt.
18 Wenn ihr euch aber vom Geist führen lasst, dann steht ihr nicht unter dem Gesetz.
Lk 9, 51-62
51 Als die Zeit herankam, in der er in den Himmel aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen.
52 Und er schickte Boten vor sich her. Diese kamen in ein samaritisches Dorf und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen.
53 Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war.
54 Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?
55 Da wandte er sich um und wies sie zurecht.
56 Und sie gingen zusammen in ein anderes Dorf.
57 Als sie auf ihrem Weg weiterzogen, redete ein Mann Jesus an und sagte: Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.
58 Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.
59 Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben.
60 Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!
61 Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich von meiner Familie Abschied nehmen.
62 Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
Vielversprechend beginnt die Lesung aus dem Brief an die Galater: „Christus hat uns zur Freiheit befreit.“
Doch der Text bleibt nicht so einfach: „Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch.“ Das klingt wie ein Werbefeldzug für Vegetarier. Als entspräche alles was Fleisch ist, was leiblich, körperlich ist, nicht der Freiheit und dem Geist Gottes! - in weiterer Folge alles entspreche jegliches Vergnügen nicht dem Geist Gottes?
Aber diese Leseart wäre ein Dualismus, der dem Glaube unserer Kirche sicher nicht entspricht: Jesus war ganz Gott und ganz Mensch, mit einem Körper aus Fleisch. Jesus hat gegessen und Feste gefeiert – das erste Wunder hat Jesus bei einer Hochzeit gewirkt und es ging um die Umwandlung von Wasser zu Wein, also auch etwas sehr leibliches, das dem Genuss und dem Vergnügen dient. Jesus hat sich auch immer um die körperliche Angelegenheiten der Menschen gekümmert – zum Beispiel wenn er Kranke geheilt hat.
Wenn wir diese Textpassage „Nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch“ als Absage gegen alles Leibliche verstehen, dann unterliegen wir einem Missverständnis. Dieses Missverständnis rührt aus der Herkunft dieses Briefes, da ja vor fast 2000 Jahren geschrieben wurde, in einer fremden Sprache, die uns nicht immer restlos verständlich ist. Die Übersetzung, die wir im Gottesdienst verwenden, wurde um die Mitte des vorigen Jahrhunderts durchgeführt. Sprache ist aber etwas sehr veränderliches. Sogar zu einem bestimmten Zeitpunkt wird ein und dieselbe Sprache von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich verwendet und verstanden. Deswegen klingt die Sprache der ‚Einheitsübersetzung‘ trotz der relativ neuen Übersetzung in unseren Ohren manchmal schon wieder ein wenig verstaubt und für viele auch ein bisschen ‚theologisch angehaucht‘.
Aber wenn wir einige wichtige Begriffe, einige Schlüsselwörter näher betrachten, so können auch wir heute verstehen, was uns Paulus sagen möchte – können den Text in unsere Zeit hineinversetzen.
Der erste wichtige und zugleich missverständliche Begriff ist jener der Freiheit. Freiheit hat viele verschiedene Bedeutungsebenen. Freiheit kann man über ihr Gegenteil, die Unfreiheit, definieren. Unfrei ist man, wenn man unterdrückt oder festgehalten wird oder gar im Gefängnis ist. Manchmal macht uns der Alltag unfrei, wenn wir unter Stress stehen oder gemobbt werden, oder einfach jede Art der Ein-, Ab- und Ausgrenzung. Freiheit wäre demnach nicht verfolgt oder eingesperrt zu sein und keine Fesseln zu haben, ohne Abhängigkeiten und Zwänge zu leben, ohne sich von Gesellschaft, Technik, Wirtschaft und ähnlichem diktieren zu lassen.
Freiheit zu spüren vermittelt ein Gefühl des Glücks und gibt Kraft. Manche erleben das in den Ferien, in den Bergen oder auf Reisen, andere wenn sie Zeit mit Freunden verbringen, oder einfach Zeit haben, die Sonne zu spüren und die Seele baumeln zu lassen.
Der nächste Begriff ist jener des Geistes.
Wenn in einer Sage von einem Geist die Rede ist, dann dürfen wir uns darunter ein Gespenst vorstellen. In der Bibel ist bei Geist der Heilige Geist, der Geist Gottes gemeint. Jener Geist, der Kraft gibt, der mit Barmherzigkeit, Liebe und Mut zu tun hat. Der eine spezielle Art von Klugheit und Freude schenkt, frei macht.
Das Gegenteil von Geist Gottes wird im Galater-Brief das ‚Fleisch‘ genannt, aber man könnte ebenso gut das Wort ‚Ungeist‘ verwenden. Ungeist waltet, wenn wir Unrecht und Egoismus, Hass und Streit die Oberhand gewinnen lassen. Wenn wir anderen Schmerz und Leid zufügen oder uns Boshaftigkeiten erlauben. Klatsch, böses Geschwätz schon sind Werke des Ungeists.
Vieles davon könnte man auch unter dem Begriff „selbstsüchtiges Handeln und seine Folge“ zusammenfassen.
Zuletzt macht es noch Sinn, einen Blick auf den Begriff Gesetz zu werfen.
Damit sind nicht die Verkehrsregeln gemeint, die es vor 2000 Jahren ja noch nicht gegeben hat, und auch nicht das Bürgerliche Gesetzbuch, das vor Diebstahl, Raub, Totschlag und Mord schützen soll. Wenn in der Bibel von Gesetz die Rede ist, geht es um jene Gesetze, die den Juden in der Tora, dem Kernstücks des Alten Testaments, aufgetragen sind. Neben den zehn Geboten, die wir alle ja von Kindesbeinen an kennen, gibt es in den Büchern des Alten Bundes noch viele weitere Ge- und Verbote. Die Sonntagsruhe ist davon ebenso betroffen, wie das Händewaschen vor dem Essen. Eine wichtige Vorschrift ist für die Juden, dass jeder männliche Jude beschnitten werden muss. Diese Vorschrift hat bei den ersten christlichen Gemeinden, genauer gesagt bei den Heidenchristen, für Unruhe gesorgt, weil eben die Heiden nicht beschnitten waren und die Beschneidung eines Erwachsenen sehr schmerzhaft und sehr gefährlich war.
Deswegen wurde recht bald die Frage aufgeworfen, ob diese Gesetze der Juden für die Christen denn überhaupt Gültigkeit hätten. Das ist also mit Gesetz gemeint.
‚Die gute Nachricht‘ enthält den Brief an die Galater in einer Formulierung, die unserem Wortgebrauch etwas näher kommt:
13 Gott hat euch zur Freiheit berufen, meine Brüder und Schwestern! Aber missbraucht eure Freiheit nicht als Freibrief zur Befriedigung eurer selbstsüchtigen Wünsche, sondern dient einander in Liebe.
14 Das ganze Gesetz ist erfüllt, wenn dieses eine Gebot befolgt wird: »Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.«
15 Wenn ihr einander wie wilde Tiere kratzt und beißt, dann passt nur auf, dass ihr euch nicht gegenseitig verschlingt!
16 Ich will damit sagen: Lebt aus der Kraft, die der Geist Gottes gibt; dann müsst ihr nicht euren selbstsüchtigen Wünschen folgen.
17 Die menschliche Selbstsucht kämpft gegen den Geist Gottes und der Geist Gottes gegen die menschliche Selbstsucht: Die beiden liegen im Streit miteinander, sodass ihr von euch aus das Gute nicht tun könnt, das ihr doch eigentlich wollt.
18 Wenn ihr euch aber vom Geist Gottes führen lasst, dann steht ihr nicht mehr unter dem Gesetz, das euch diesem Widerspruch ausliefert.
In diesem Sinn ist auch das Evangelium Lk 9, 51-62 zu verstehen, das im Gottesdienst gemeinsam mit diesem Teil des Galater-Briefs gelesen wird: Wir sind frei, uns für Gott und ein Handeln in seinem Geist zu entscheiden, oder eben nicht. Wenn wir uns für Gott, für den Geist Gottes entscheiden, sollen wir das aber mit ganzem Herzen machen. Pater Albert Gabriel SDS, der frühere Rektor der Donaucity-Kirche, sagte immer: „Ein ‚bisschen schwanger‘ gibt es nicht“. So kann man auch sagen: „Ein bisschen Christ sein geht nicht.“
Wenn ich für die Schule lernen soll, und nebenbei 1000 andere Sachen mache und immer wieder unterbreche, dann wird das mit dem Lernen nicht funktionieren und ich werde einen Fleck schreiben.
Oder in früheren Zeiten, wenn man ein Feld gepflügt hat, noch vor der Erfindung von Traktoren, mit einem Ochsengespann oder wenn man gar den Pflug selbst gezogen hat, da hat man sich voll auf diese Arbeit konzentrieren müssen. Wer sich umgedreht hat, weil er wo anders hinschauen wollte, der ist schief gekommen oder ist gestolpert.
Das ist das Beispiel, das Jesus damals einem jungen Mann nennt, der mit ihm, in seinem Geist, leben will: „Es ist deine Entscheidung, ob Du mir folgen willst. Wenn Du mir nachfolgen willst, wenn Du im Geist meines Vaters leben willst, dann sollst du das ganz, mit ganzem Herzen, machen.“
Verschriftlichung der Messvorbereitung mit Susanne Prechelmacher und den Jugendlichen der Gemeinde St. Katharina.
Jer 23, 1-6
1 Weh den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen - Spruch des Herrn.
2 Darum - so spricht der Herr, der Gott Israels, über die Hirten, die mein Volk weiden: Ihr habt meine Schafe zerstreut und versprengt und habt euch nicht um sie gekümmert. Jetzt ziehe ich
euch zur Rechenschaft wegen eurer bösen Taten - Spruch des Herrn.
3 Ich selbst aber sammle den Rest meiner Schafe aus allen Ländern, wohin ich sie versprengt habe. Ich bringe sie zurück auf ihre Weide; sie sollen fruchtbar sein und sich vermehren.
4 Ich werde für sie Hirten bestellen, die sie weiden, und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen und nicht mehr verloren gehen - Spruch des Herrn.
5 Seht, es kommen Tage - Spruch des Herrn -, da werde ich für David einen gerechten Spross erwecken. Er wird als König herrschen und weise handeln, für Recht und Gerechtigkeit wird er sorgen
im Land.
6 In seinen Tagen wird Juda gerettet werden, Israel kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: Der Herr ist unsere Gerechtigkeit.
Ps 23, 1-6
1 Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen.
2 Er lässt mich lagern auf grünen Auen
und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.
3 Er stillt mein Verlangen;
er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen.
4 Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht,
ich fürchte kein Unheil;
denn du bist bei mir,
dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht.
5 Du deckst mir den Tisch
vor den Augen meiner Feinde.
Du salbst mein Haupt mit Öl,
du füllst mir reichlich den Becher.
6 Lauter Güte und Huld
werden mir folgen mein Leben lang,
und im Haus des Herrn
darf ich wohnen für lange Zeit.
In der Lesung aus dem Buch Jeremia geht es um Schafe – um Schafe und ihre Hirten. Und dieses Bild wird sich durch die heutigen Textstellen ziehen wie ein roter Faden. Ich finde es ganz nett, dass wir ausgerechnet in der Ferienzeit von Schafen lesen. In den Ferien sind viele von uns ja unterwegs in den Bergen oder in südlichen Ländern, wo man tatsächlich noch Schafherden sehen und erleben kann.
So eine Schafherde, das ist ja nicht wie eine Horde Affen, die von Baum zu Baum springt und wo quasi „immer ´was los“ ist. Schafe sind ruhige Tiere, die stehen rum, fressen – also nehmen Nahrung auf und sammeln damit Kraft – und sonst verlassen sie sich darauf, dass ihr Hirte für Sicherheit sorgt und dafür, dass genug zu fressen da ist.
Jeremia spricht von schlechten Hirten, die ihre Aufgabe nicht gut machen, sodass es den Schafen nicht gut geht – und er verspricht dem Haus Israel einen guten Hirten, der kommen wird. Also auch wenn im Moment nicht immer alles perfekt ist, die Schafe werden nicht gänzlich verloren gehen, sie werden nur verstreut – aber zuletzt wird alles gut, der gute Hirte wird sie sammeln und für sie sorgen, darauf können wir uns verlassen.
Der Psalm 23 beginnt mit den Worten: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir mangeln“, und wenig später „er führt mich zum Ruheplatz am Wasser.“
Und sogar jesus sucht im Markusevangelium mit seinen Jüngern so einen Ruheplatz auf. Etwas salopp könnten wir sogar sagen, er mache mit ihnen einen „Erholungsausflug über den See“.
Unsere Zeit ist so betriebsam geworden, immer ist Action angesagt. Man soll „die Zeit nutzen“, heißt es und „der frühe Vogel fängt den Wurm“. Aber jeder Mensch und die gesamte Schöpfung braucht auch Ruhepausen.
Das ist eine uralte Weisheit, dass wir auch Ruhe und Pausen brauchen. Quellen aus denen wir Kraft schöpfen können. Das brauchen die Kinder nach dem Schuljahr, das brauchen wir zwischen unseren Arbeiten, aber auch unsere Beziehungen brauchen dieses gemeinsame „Kraft schöpfen“ und „an die Quellen gehen“. Schon in der Schöpfungsgeschichte, im Buch Genesis, erschafft Gott an sechs Tagen die Erde, am siebten Tag ruht er und macht diesen Ruhetag auch uns zum Auftrag. Und später im Buch Exodus wird dieses Ruhegebot sogar auf ein Sabbatjahr ausgedehnt.
Ruhe im jüdischen Sinn bedeutet aber nicht, sich hinzusetzen und die Hände faul in den Schoß zu legen, sondern vielmehr sich Zeit zu nehmen, um ruhig zu werden, um sich zu öffnen, um zu
hören, um das Wort Gottes zu hören, um mit den anderen über dieses Wort zu sprechen und gemeinsam betend zu danken.
Es gilt, eine Balance zu schaffen, zwischen der Tat und dem an die Quellen gehen, an den Ruheplatz am Wasser.
Dieses ruhig werden bedarf natürlich auch des Vertrauens, dass nicht der Lauf der Welt von meinem Tun alleine abhängt, sondern dass ich mich vertrauensvoll fallen lassen darf um auszuruhen.
Für uns Christen ist die Quelle unserer Kraft – so wie auch bei den Juden – die Begegnung mit Gott.
Wenn wir das nächste Mal Psalm 23 beten, dann seien wir doch achtsam, welche Bilder uns konkret dabei kommen: Was uns Kraft geben, uns tragen kann?
Vielleicht kann auch ganz die Zeit, die ich mir für ein Gebet nehmem, zu einer Quelle für mich werden?!
Hören wir auch, woraus Jesus mit seinen Aposteln Kraft schöpft, als er mit ihnen über den See fährt.
9 Nachdem Adam von der Frucht des Baumes gegessen hatte, rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du?
10 Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
11 Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe?
12 Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen.
13 Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen.
14 Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage
deines Lebens.
15 Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.
Unsere Tochter ist gerade in der Pubertät - manchmal kostet sie uns richtig Nerven. Sie weiß genau, was sie soll und was sie nicht darf, sie kennt unsere Ratschläge und die der anderen Erwachsenen – und sie ist sich sicher, dass sie selbst es besser weiß und besser kann und dass sie die Regeln, die wir ihr zu ihrem eigenen Schutz auferlegen, nicht braucht, weil sie aufmerksam genug ist, den Gefahren, vor denen wir sie schützen wollen, selbst auszuweichen. Als Eltern können wir nicht viel mehr machen, als ihr zu raten und sie ausprobieren zu lassen – ihr Anerkennung zu zollen, wenn sie etwas gut macht, und wenn sie die Regeln missachtet und dadurch auf die Nase fällt und Schaden nimmt, ihr einen schützenden Horst zu bieten, und darüber hinaus den Schaden mit ihr gemeinsam auszuhalten, ohne ihren Anteil an der Situation zu schmälern. Wir müssen dort widersprechen, wo sie versucht, andere, den Zufall oder das böse Schicksal, für das „Missgeschick“ verantwortlich zu machen – wenn wir darauf bestehen, dass sie ihr Tun und dessen Folgen in Zusammenhang bringt, dann nehmen wir damit auch ihr Tun und ihre Eigenverantwortlichkeit ernst.
Am Rande gesagt: Unsere Tochter ist da nicht anders, als die meisten Teenager und auch nicht anders, als wir selbst in diesem Alter waren. Und das ist ja auch eine gute, wichtige und richtige Entwicklungsphase, denn diese Teenager sollen ja nicht ewig wie Kinder auf die Richtlinien der Erwachsenen angewiesen sein, sondern auch selbst in neuen, vorher nicht besprochenen Situationen angemessen und richtig agieren können. Eigenverantwortlich eben.
Bei Eva und Adam ist die Situation im Paradies nicht viel anders: Sie kennen die Regeln, sie haben eigentlich alles, was sie brauchen und doch meinen sie, es besser zu wissen. Sie missachten bewusst die Regeln, die doch zu ihrem eigenen Wohl da sind. Und so wie die meisten Teenager wollen sie dann für ihr Tun erst einmal nicht selbst verantwortlich sein – Adam schiebt die Schuld auf Eva, Eva auf die Schlange. Gott Vater aber nimmt die Menschen -und auch die Schlange ernst – indem er sie zur Verantwortung zieht. Das klingt im ersten Moment sehr hart – einmal nur haben sie nicht gehorcht, nicht auf die Weisung und den Rat Gott Vaters gehört, und schon sollen sie die Konsequenzen auf ewig tragen und den paradiesischen Zustand verlieren. Vielleicht ist dieser paradiesische Zustand aber ja einfach die Verantwortungslosigkeit unschuldiger Kinder, und die Sicherheit und Selbstverständlichkeit, mit der diese wissen, dass für sie gesorgt und entschieden wird. Und da Eva und Adam Entscheidungsfreiheit einfordern, so haben sie Eigenverantwortung und damit auch Mühe, Angst, Bangen, aber auch Hoffen, Schmerz, aber auch Freude dieser Welt geerntet.
War es das wert?
„How many roads must a man go down, before you call him a man?“, sang Bob Dylan in den Sechzigern des letzten Jahrhunderts. Wie oft muss ein Pubertierender Regeln durchbrechen und wie oft dadurch in Schwierigkeiten kommen, bis er versteht, dass das Gesetz für den Menschen da ist (vergl. Mk 2,27), bis aus einem Teenager ein Erwachsener geworden ist. Im weiteren Liedtext besingt Dylan Kriege und anderes von Menschen hervorgerufenes Leid. Leid, weil Menschen die Regeln des Miteinanders nicht einhalten. Leid, weil die Menschheit sich insgesamt immer noch verhält wie eine Horde Pubertierender, die alles besser weiß und alles besser kann und dabei einen Mist nach dem anderen baut. Wenn wir die Zeitungen aufschlagen, erzählen die Schlagzeilen von diesem Leid – unnötige und sinnlose Kriege, denn letztlich ist jeder Krieg unnötig und sinnlos, Flüchtlinge, denen andere das Leben oder das dazu Nötige nicht gönnen, Menschen die verzweifelt auf Hilfe warten, weil andere wie die Kleinkinder darum streiten, wer ein wenig mehr oder weniger helfen soll, Unfälle, weil Menschen entgegen aller Ratschläge und Weisungen unvorsichtig und riskant verfahren. „How many…?“ singen wir immer noch.
Nicht umsonst findet sich die Erzählung vom ersten Sündenfall, vom ersten Abweichen von dem, was den Menschen gut tut, im Alten Testament, dieser Sammlung an mythischen und lehrreichen Erzählungen vieler hunderter Jahre Menschenerfahrung – weil alle Generationen dieser Menschheit die Erfahrung dieses ständig wiederkehrenden, pubertären Verhaltens der Menschheit beobachtet haben und beobachten.
Bevor wir verzweifeln an diesen Beobachtungen, versuchen wir doch, der pubertierenden Menschheit ein gutes Beispiel vorzuleben – wir als Individuen. Hoffen wir darauf, dass diese Entwicklungsphase der Pubertät ebenso vorbei geht, wie es bei einzelnen Menschen der Fall ist – auch wenn es noch ein paar tausend Jahre dauern sollte und uns ewig erschein. Hoffen wir, dass wir als Menschheit eines Tages auch ohne in den Gesetzen nachzulesen intuitiv wissen, wie wir auch in neuartigen Situationen gut und richtig handeln sollen und das auch ganz selbstverständlich tun. Sind wir stolz und freuen wir uns jedes Mal, wenn jetzt schon irgendwo Menschen wirklich menschlich – im Sinne von als „Ebenbild Gottes“ agieren und reagieren. Und vertrauen wir darauf, dass Gott Vater uns immer, auch wenn es ´mal wieder ganz schief gelaufen ist und wir die Folgen dafür in Verantwortung übernehmen müssen, dass er uns gerade dann in seinen schützenden Horst aufnehmen wird. Denn auch das erzählt uns das Buch Genesis ein paar Seiten weiter:
Nachdem Eva und Adam das Paradies auf ihr eigenes Handeln hin verlassen haben, zeugen und gebären sie Kinder– Kain und Abel - und auch in dieser Generation gibt es keinen wirklichen Frieden. Schlimmer noch als bei den Eltern: Aus Eifersucht erschlägt Kain seinen Bruder. Auch er will erst die Verantwortung nicht übernehmen. Auch bei ihm fordert Gott Vater ein, dass er zu seiner Tat stehe und zu deren Folgen. Aber diese Erzählung birgt ein Kleinod, das mir persönlich sehr wertvoll ist: Als Kain Angst vor den Folgen seiner Tat hat, zeichnet Gott zeichnet ihn mit einem Mal auf der Stirn, mit dem „Kainsmal“. Es macht durchaus Sinn Genesis 4,15 ganz genau zu lesen: "... Darauf machte der Herr dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde.“ Kain, der so schwere Schuld auf sich geladen hat, der eine so schwere Schuld zu tragen hat, er erhält ein Zeichen als Schutz. Auch ihm, oder gerade ihm, bietet Gott Vater in ungebrochener Vaterliebe den schützenden Host seines Zeichens. Jedes Mal, wenn mir bewusst wird, wie sehr ich selbst noch immer in der Pubertät stecke und ´mal wieder alle Regeln missachtet habe, die mir eigentlich helfen sollten, ein gutes Leben zu führen und jedes Mal, wenn ich vor größerem Unglück bewahrt werde und noch einmal alles glimpflich ausgegangen ist, bin ich sehr froh über dieses Kainszeichen, das wohl auch meine Stirn ziert.
In jener Zeit
1 ging Jesus an das andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt.
2 Eine große Menschenmenge folgte ihm, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3 Jesus stieg auf den Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder.
4 Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe.
5 Als Jesus aufblickte und sah, dass so viele Menschen zu ihm kamen, fragte er Philippus: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?
6 Das sagte er aber nur, um ihn auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte.
7 Philippus antwortete ihm: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll.
8 Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm:
9 Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele!
10 Jesus sagte: Lasst die Leute sich setzen! Es gab dort nämlich viel Gras. Da setzten sie sich; es waren etwa fünftausend Männer.
11 Dann nahm Jesus die Brote, sprach das Dankgebet und teilte an die Leute aus, so viel sie wollten; ebenso machte er es mit den Fischen.
12 Als die Menge satt war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.
13 Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Stücken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren.
14 Als die Menschen das Zeichen sahen, das er getan hatte, sagten sie: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
15 Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein.
Vor fünf oder sechs Jahren um diese Jahreszeit war ich unterwegs auf dem Jakobsweg in Spanien. Eines Tages, nach einer besonders langen, anstrengenden Strecke, kam ich nicht nur müde, sondern auch sehr hungrig in die Herberge, und mit mir auch einige andere Pilger, denen ebenso der Magen knurrte. Das Abendessen sollte noch einige Stunden auf sich warten lassen, es gab keine Einkaufsmöglichkeit weit und breit und so waren wir angesichts der zu erwartenden „Hungerperiode“ alle in ziemlich schlechter Stimmung. Doch da überraschte uns einer der Neuankömmlinge mit einem Angebot: „Ich habe in der letzten Ortschaft eine kleine Packung Spagetti und ein paar Paradeiser gekauft – eigentlich war das nur für mich gedacht und für uns alle ist das nicht viel, aber wer mag, kann gerne mitessen.“ Nach einem kurzen Überraschungsmoment melde sich ein anderer Pilger: „Ich habe noch etwas Wurst im Rucksack, die könnten wir dazu schneiden.“ Einer nach dem anderen zog Wurst, Käse, Gemüse aus den Taschen und sogar eine Flasche Wein konnten wir noch auftreiben. Schließlich kochten und aßen so ca. 15 Leute. Die Spagetti-Sauce aus den Proviantresten war zwar etwas wild und abenteuerlich, aber wir wurden nicht nur alle satt, es war auch das beste Essen auf der ganzen Strecke und vielleicht sogar die besten Spagetti, die ich jemals gegessen habe.
Und noch etwas ist dabei passiert: Wir waren einzeln oder zu zweien in die Herberge gekommen, aber wir wurden beim gemeinsamen Mahl, beim gemeinsam Kochen und beim Teilen des Vorhandenen zu einer Gruppe. Wir gingen zwar am nächsten Tag wieder jeder seinen Weg, aber wann immer wir einander unterwegs zufällig wieder trafen, war allen Umstehenden sofort klar: Die gehören irgendwie zusammen. Das gemeinsame Mahl, aber vor allem das Beisteuern zum Essen, das miteinander Teilen hat uns diese Gemeinschaft geschenkt.
Die Erfahrungen Isreals mit Gott
Die Israeliten hatten in ihrer Geschichte mehrmals solche Erlebnisse mit ihrem – mit unserem – Gott:
Schon bei der für die Israeliten wichtigsten Erfahrung, der Befreiung aus der Sklaverei und der 40 Jahre andauernden Wüstenwanderung, wurden sie bald sehr hungrig – und Gott sorgte sich um sein Volk und sorgte für sie, indem er ihnen Manna schenkte.
In der ersten Lesung haben wir die Geschichte von Elischa gehört. Elischa war der Schüler von Elija und wie er ein großer Prophet. Gott hat durch Elischa viele Heilungen gewirkt und auch, wie uns erzählt wird, diese wunderbare Sättigung, bei der so viele Menschen von nur wenigen Broten satt wurden.
Jesus und seine Zusage
Johannes erzählt uns, dass auch Jesus die Menschen speist, doch waren es nicht wie bei Elischa 100 Männer, sondern gleich 5000 Leute, die er mit nur 5 Broten und 2 Fischen nährt. Alle wurden satt und es blieb sogar noch etwas über – denn bei Gott können wir sicher sein, dass er uns im Überfluss gibt, was wir brauchen. Wir werden sicher nicht zu kurz kommen.
Und Christus sagt im weiteren Text – wir werden das in Kürze als Evangelium hören – dass er nicht nur unseren knurrenden Magen füllen möchte. Christus möchte unseren Hunger nach dem Reich Gottes, nach dem Leben in Fülle stillen – und dazu möchte er für uns das Brot des Lebens werden. Das feiern wir ja, wenn wir Eucharistie feiern und uns damit diese Hingabe vergegenwärtigen, immer, wenn wir das Brot brechen, also teilen, sind wir Teil der Gemeinschaft der Christen, und Christus ist gegenwärtig unter uns und schenkt uns Leben in Fülle, mehr als genug für jeden von uns.
Die Herausforderung an uns
Aber wir dürfen einen Satz nicht überlesen: Christus fordert seine Apostel auch auf, das Brot auszuteilen, zu teilen – die anderen Evangelisten formulieren sogar: „Macht ihr sie satt!“. Der Abschnitt im Evangelium wird ja auch nicht die „Wunderbare Brotvermehrung“ übertitelt, sondern „Die wunderbare Speisung“ oder „Die Speisung der 5000“. Denn es ist nicht der Kern der Geschichte, miteinander zu essen, sondern vor allem miteinander zu teilen. Wir sollen auch heute das, was wir haben, miteinander teilen: im materiellen Sinn die vorhandenen Ressourcen so teilen, dass genug für uns alle da ist, dass keiner zu kurz kommt, aber auch im übertragenen Sinn uns mitteilen, unseren Mitmenschen Aufmerksamkeit und Zeit schenken, füreinander Sorge tragen und füreinander sorgen – und uns so hingeben! Wir werden dabei sicher nicht zu kurz kommen!
In jener Zeit
38 lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Straßen und Plätzen
grüßt,
39 und sie wollen in der Synagoge die vordersten Sitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben.
40 Sie bringen die Witwen um ihre Häuser und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Aber umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet.
41 Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel.
42 Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein.
43 Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern.
44 Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hergegeben; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles gegeben, was sie besaß, ihren ganzen
Lebensunterhalt.
Was haben Sie letzten Sonntag in den Klingelbeutel geworfen?
Die Witwe hat ihren Lebensunterhalt gegeben! Wenn ich diesen Anspruch wörtlich auf mein Leben umlege, so müsste ich all mein Hab und Gut verschenken und von nun an von Almosen leben – oder wie die Urchristen in Gütergemeinschaft mit meinen Mitbrüdern und –schwestern.
Wir sind aus den Evangelien gewohnt, dass Christus immer wieder radikale Forderungen stellt – aber im Regelfall geht es bei Jesus nicht vorwiegend um´s liebe Geld. Im Gegenteil: Bei Jesus geht es meist um mehr als nur um Geld!
Verbildlichen wir uns doch die Situation:
Jesus ist mit seinen Jüngern kurz vor den Festtagen nach Jerusalem gekommen und geht natürlich auch gemeinsam mit ihnen in den Tempel. Der Tempel – halb Baustelle durch die gerade im Gange
befindlichen Renovierungsarbeiten, halb von den Geldwechsler und den Verkäufern der Opfertiere zur Markthalle umfunktioniert – schockiert Jesus und Jesus schockiert die Gläubigen dort, in dem
er die Wechsler und Händler aus dem Tempel treibt und so eigentlich auch den rituellen Tempeldienst vorübergehend unterbindet. Das ist ein wildes, vielleicht sogar aggressives Bild von Jesus,
das wir sonst nicht von ihm kennen. Natürlich kommen die Hohenpriester und Schriftgelehrten, die Saduzzäer und Pharisäer zu ihm und fragen ihn nach der Legitimation für sein Handeln. Der
Tempel ist um diese Jahreszeit ja gut besucht – Juden aus Israel und Pilger aus der Diaspora sind da – und so findet die Szene bei vielen Menschen Beachtung und bald sitzen viele Zuhörer um
Jesus. Die Schriftgelehrten versuchen nun Jesus mit Hilfe von Fangfragen bloßzustellen: Darf ein gläubiger Jude einem ungläubigen Kaiser überhaupt Steuern zahlen? Wenn eine Witwe die
alttestamentliche Schwagerehe eingeht, wessen Frau wird sie dann am jüngsten Tag sein? Mose hat uns 10 Gebote gegeben, die Tora lehrt uns 613 Gesetze, an die sich ein gläubiger Jude zu halten
hat, aber was ist denn nun das wichtigste Gebot?
Die Schriftgelehrten beschäftigen sich sehr viel mit der Heiligen Schrift und sie kennen sie sehr genau – aber sie nützen dieses Wissen nicht, um den Menschen zu zeigen, wie man mit Hilfe der Gebote ein besseres Leben führen kann – nein, sie versuchen mit Hilfe ihres Wissens Jesus eine Falle zu stellen. Sie halten sich exakt an das Wort der Schrift und doch gelingt es ihnen, die Witwen, die vom Gesetz geschützt werden sollen, um ihr letztes Hab und Gut zu bringen – wie Jesus sie anklagt. Sie kennen die Tora genau, aber sie (miss)verstehen die Schriften wörtlich – sie machen sozusagen religiösen 'Dienst nach Vorschrift'.
In meiner Jugend ist der Begriff „Dienst nach Vorschrift“ immer kurz vor der Ferienzeit gefallen – wenn die Zöllner versuchten, irgendwelche Forderungen zu durchzusetzen, so haben sie immer für die Urlaubszeit „Dienst nach Vorschrift“ angekündigt. Mit anderen Worten hat das bedeutet, dass an der Grenze dann gar nichts mehr funktioniert hat: kilometerlange Staus, stundenlange Wartezeiten, exakte Kontrollen mit lästigen Kofferraum-Visitationen…
Oder in der Familie, wenn wir nach dem Frühstück die Kinder bitten, den Tisch abzuräumen – und wenn wir wieder ins Zimmer kommen, so ist der Tisch zwar abgeräumt, aber das schmutzige Geschirr türmt sich auf der Arbeitsfläche, die Butter liegt gleich neben den schmutzigen Tellern statt im Kühlschrank und der Tisch selbst – bekleckert mit Marmelade und völlig verschmiert – wartet noch immer sehnsüchtig auf einen sauberen Lappen, der ihn abwischt. Natürlich haben die Kinder verstanden, dass sie das Geschirr in den Geschirrspüler und die Lebensmittel in den Kühlschrank räumen sollen und dann den Tisch abwischen – aber wir haben ja nur gesagt „Tisch abräumen“ – und sie haben quasi „Dienst nach Vorschrift“ gemacht.
Wenn mir jemand einen Brief schickt, dessen Maße die vorgeschrieben Norm um 1 cm übersteigt, kann mir der Briefträger eine Information in den Briefkasten legen und ich muss den zu großen Brief dann vom Postamt abholen. Das darf er, das ist „nach Vorschrift“. Oder aber der Briefträger deponiert ein zu großes Paket bei der Nachbarin, wenn er mich gerade nicht antrifft. Und weil ich gerade nicht da bin, steckt er mir den eingeschriebenen Brief samt dem Retourschein ins Postfach – mit der Bitte um Unterschrift. Das ist ganz sicher nicht nach Vorschrift, das ist mehr als 'Dienst nach Vorschrift' – das ist Dienst mit 'Herz und Seele'.
Und Christus sagt im weiteren Text – wir werden das in Kürze als Evangelium hören – dass er nicht nur unseren knurrenden Magen füllen möchte. Christus möchte unseren Hunger nach dem Reich Gottes, nach dem Leben in Fülle stillen – und dazu möchte er für uns das Brot des Lebens werden. Das feiern wir ja, wenn wir Eucharistie feiern und uns damit diese Hingabe vergegenwärtigen, immer, wenn wir das Brot brechen, also teilen, sind wir Teil der Gemeinschaft der Christen, und Christus ist gegenwärtig unter uns und schenkt uns Leben in Fülle, mehr als genug für jeden von uns.
Auch die Witwe in dem Beispiel weiß sicher, was sie zu spenden hätte – aber sie gibt von ihrem Lebensunterhalt. Sie gibt mit 'Herz und Seele'.
Und ich glaube, genau das ist es, was uns Jesus am Beispiel der Witwe lehren will: Wir sollen alles, was wir machen, mit Herz und Seele machen – im Kleinen wie im Großen.
Wenn wir eine Meinung vertreten, dann sollen wir sie mit Herz und Seele vertreten: Wenn wir uns für den Umweltschutz einsetzen und strengere Kontrollen der Industrieabgase fordern, dann sollen wir auch den Radio und das Licht abdrehen, wenn wir das Haus verlassen. Und unser Einsatz wird nicht nur unseres Forderungen erst glaubwürdig machen, er wird auch unsere Kinder lehren und Stück für Stück die Meinung und Stimmung der Gesellschaft formen.
Und auch wenn wir von unserem Glauben sprechen, dann darf das nicht halbherziger 'Dienst nach Vorschrift' sein – unser Glaube muss 'mit Herz und Seele' gelebt und für andere im Alltag erlebbar sein.
Noch ein Kleinod habe ich in einer älteren Übersetzung der heutigen Bibelstelle gefunden, welches ich Ihnen nicht vorenthalten möchte – den Ursprung einer Redewendung: „Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei Scherflein hinein.“ Ich brauche an meinen mangelnden Möglichkeiten und begrenzten Kräften also nicht zu verzweifeln. Wenn ich mein Scherflein beitrage und das mit „Herz und Seele“ tue, dann ist das „mehr als genug“ getan.
In jener Zeit
1 als Jesus seine Rede vor dem Volk beendet hatte, ging er nach Kafarnaum hinein.
2 Ein Hauptmann hatte einen Diener, der todkrank war und den er sehr schätzte.
3 Als der Hauptmann von Jesus hörte, schickte er einige von den jüdischen Ältesten zu ihm mit der Bitte, zu kommen und seinen Diener zu retten.
4 Sie gingen zu Jesus und baten ihn inständig. Sie sagten: Er verdient es, dass du seine Bitte erfüllst;
5 denn er liebt unser Volk und hat uns die Synagoge gebaut.
6 Da ging Jesus mit ihnen. Als er nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst.
7 Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden.
8 Auch ich muss Befehlen gehorchen, und ich habe selber Soldaten unter mir; sage ich nun zu einem: Geh!, so geht er, und zu einem andern: Komm!, so kommt er, und zu meinem Diener: Tu das!, so tut er es.
9 Jesus war erstaunt über ihn, als er das hörte. Und er wandte sich um und sagte zu den Leuten, die ihm folgten: Ich sage euch: Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden.
10 Und als die Männer, die der Hauptmann geschickt hatte, in das Haus zurückkehrten, stellten sie fest, dass der Diener gesund war.
"Herr, ich bin nicht würdig,…" - wir beten das bei jeder Eucharistiefeier.
Dieses Gebet ist gleichzeitig ein Schuldbekenntnis und ein Glaubensbekenntnis.
Ein Schuldbekenntnis:
Ich bin schuldig – und ich weiß davon:
Nicht, weil ich ein Schwerverbrechen begangen habe,
sondern weil da die vielen Kleinigkeiten im Laufe meines Alltags sind,
und die Verstrickungen, die ich selbst garnicht lösen kann,
die mich nicht würdig machen, dass Du Herr, einkehrst unter mein Dach.
Oder wie selbst Johannes der Täufer sagt:
dass ich nicht einmal wert bin, ihm die Schnürsenkel zu lösen.
Aber auch ein Glaubensbekenntnis:
Du bist so groß, so mächtig, dass du nur ein Wort sprechen musst, und schon wird wieder alles gut.
Dein Wille allein Herr reicht, die Schuld von mir zu nehmen und mich wieder heil zu machen;
mich zum Heil für diese Welt zu machen.
So wie dieser Hauptmann dürfen auch wir so unverschämt sein und diese persönliche Heilung, dieses Heil, von Gott erwarten!
In jener Zeit,
34 als die Pharisäer hörten, dass Jesus die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, kamen sie bei ihm zusammen.
35 Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn auf die Probe stellen und fragte ihn: Meister,
36 welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?
37 Er antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.
38 Das ist das wichtigste und erste Gebot.
39 Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
40 An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.
Christus gibt uns zwei Sätze mit auf den Weg:
"Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken"(Mt 22,37) und
"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Mt 22, 39)
Ich kämpfe aber schon seit meiner Kindheit damit, dass bei dieser “Münze mit zwei Seiten” – Gottesliebe und Nächstenliebe – nur all zu oft der Münzrand, die Fassung – “wie dich selbst” – vergessen wird:
Im Alltag sehe ich mich oft zwei Extremen gegenüber – dem blanken Egoismus bzw. der reinen Egozenztrik einerseits und andererseits aufopfernder, selbstvergessender Nächstenliebe, die nicht selten in eine unnötige und sinnlose Märtyrerrolle verfällt.
Wir als Christen sind ganz besonders aufgefordert, unseren Mitmenschen Liebe erfahrbar zu machen. “Seht wie sie einander lieben” – wie schon sonntags in der Predigt betont, hat man daran die Urchristen erkannt. “Liebt einander, wie ich Euch geliebt habe” hat auch Christus uns beauftragt. Aber diese Liebe kommt nicht aus uns heraus, sie entsteht daraus, dass wir Gottes Liebe an uns erfahren haben. Und uns selbst zu vernachlässigen, das würde bedeuten, dass wir die Liebe und das Glück, das Gott uns immer wieder schenkt, nicht annehmen bzw. geringschätzen würden.
Liebe zum Nächsten wie zu uns selbst, das sollte aussehen wie bei liebevollen Eltern: den Kindern mit wachsamem und warmem Blick begegnen und ihnen geben, was sie brauchen und was ihnen gut tut, aber dabei uns selbst auch im Sinn der Kinder zu erhalten. Nicht dafür zu sorgen, dass sie statt uns ein gutes Leben führen können, sondern darauf Acht zu geben, dass sie mit uns ein gutes Leben führen.
Oder um es von der Psychologie her zu sehen: Nächstenliebe völlig ohne Eigenliebe mündet im Extremfall in Märtyrerambitionen und im schlimmsten Fall in Masochismus. Wer sich selbst akzeptiert weiß und selbst akzeptieren kann, sich geliebt weiß und selbst liebt, der kann (und soll!) auch wahrhaft andere lieben.
In jener Zeit
1 sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.
2 Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Ober haben seine Eltern gesündigt, so dass er blind geboren wurde?
3 Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.
4 Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann.
5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
6 Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen
7 und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.
8 Die Nachbarn und andere, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte?
9 Einige sagten: Er ist es. Andere meinten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber sagte: Ich bin es.
10 Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden?
11 Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach, und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte wieder sehen.
12 Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
13 Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern.
14 Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.
15 Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Der Mann antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen; dann wusch ich mich, und jetzt kann ich sehen.
16 Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen.
17 Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet.
18 Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des Geheilten
19 und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr behauptet, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sehen kann?
20 Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde.
21 Wie es kommt, dass er jetzt sehen kann, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen.
22 Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Messias bekenne, aus der Synagoge auszustoßen.
23 Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt doch ihn selbst.
24 Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.
25 Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehen kann.
26 Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet?
27 Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt auch ihr seine Jünger werden?
28 Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose.
29 Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt.
30 Der Mann antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet.
31 Wir wissen, dass Gott einen Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er.
32 Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat.
33 Wenn dieser Mensch nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können.
34 Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren, und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.
35 Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?
36 Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? Sag es mir, damit ich an ihn glaube.
37 Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es.
38 Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.
39 Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden.
40 Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind?
41 Jesus antwortete ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.
Die Evangelien erzählen von einer ganzen Reihe von Wunderheilungen durch Jesus: hier heilt er Blinde, dort Lahme, er heilt Besessene, Unreine und Aussätzige. Auf den ersten Blick ist diese Wunderheilung eigentlich nur eine von vielen, wäre da nicht der zweite Teil der Geschichte.
Da wird uns nämlich erzählt, dass die Wunderheilung den Pharisäern gemeldet wird. Und eigenartigerweise sind diese nicht in erster Linie erstaunt und erfreut über die Heilung an sich. Nein, ihr wichtigstes Problem ist, dass diese Heilung an einem Sabbat, am vorgeschriebenen Ruhetag, stattgefunden hat. Der Sabbat gehört dem Herrn, dem Gebet, dem Studium der Schriften, nicht der Arbeit, und eine Heilung ist doch eindeutig Arbeit. Dieser Jesus muss ein Sünder sein, wenn er an einem Sabbat heilt.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind mit ihrem Kind mit dem Fahrrad unterwegs. Und Ihr Kind fährt mit einem anderen Fahrrad fahrenden Kind zusammen: Wenn Sie die Unfallstelle erreicht haben, wäre Ihr erster Blick doch sicher, ob Ihr Kind unverletzt und gesund geblieben ist. Dann würden Sie sich vermutlich vergewissern, wie es dem anderen kleinen Radhelden geht und zuletzt würden sie sich um einen eventuellen Schaden an den Fahrrädern kümmern. Jede andere Reihenfolge würde bei liebenden Eltern wohl eher auf Unverständnis stoßen. Die Wertigkeit, die wir den Menschen und den Dingen geben, gibt uns ganz klar die Reihenfolge vor, in der wir uns um diese Menschen und Dinge kümmern.
Aber gehen wir ein paar Jahre weiter: Wenn zum Beispiel der herangewachsene Jüngling sich Opas Autoschlüssel für eine Spritztour „borgt“ und einige Zeit später anruft, dass er mit dem Wagen einen Unfall hatte – da weist sich dann schon, wie gut und tief die Beziehung zwischen Opa und Enkerl ist – ob da als erstes die Frage kommt: „Wie geht es Dir, bist Du unverletzt?“, oder ob dem Opa in seinem Ärger ein barsches „Wo steht das Auto?“ über die Lippen rutscht.
Ich persönlich störe mich immer wieder an den Reaktionen, wenn ein Mensch davon erzählt, dass er eben den Partner durch Trennung oder Tod verloren hat und die erste Frage der Umstehenden nicht nach dem Schmerz der Trennung, nach den Verletzungen oder den verlorenen Hoffnungen und nach der neuen Einsamkeit ist, oder einfach eine Einladung „Weißt Du schon, mit wem Du das nächste Wochenende verbringen wirst?“, sondern wenn diese erste Frage lautet „Und wer bekommt das Haus?“. Wo liegen da die Wertigkeiten unserer Gesellschaft, unsere persönlichen Wertigkeiten, wenn das die erste Frage ist?
In der Geschichte des heutigen Evangeliums geht es aber noch weiter, denn die Pharisäer wollen ja eigentlich gar keine Antwort hören. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, haben sie Jesus schon lange vorverurteilt. Und auch da stellen wir uns oft, zu oft, zu jener Gruppe der Schriftgelehrten: Wenn jemand uns eine Frage stellt und wir nur denken: „Na, wenn der mich fragt, da muss ich vorsichtig antworten, dass kann nur eine Fangfrage sein.“ Wenn uns jemand ein Geschenk oder ein Kompliment macht – und statt uns darüber zu freuen, überlegen wir, was der wohl wieder von uns braucht, dass er uns so schön tut. Oft haben wir uns aufgrund unserer Erfahrungen eine durchaus berechtigte Meinung gebildet – aber wir sind dann einfach nicht bereit, in eine neue Situation unvoreingenommen hineinzugehen. Damit demotivieren wir den anderen und geben ihm keine Chance mehr, auch nicht die Chance zur Besserung, und wir selbst verpassen so manche Möglichkeit und so manche schöne Erfahrung damit.
Aber wenn wir die Schriftstelle aufmerksam lesen, so gibt Jesus selbst uns schon eingangs eine Hilfestellung, wie wir es vermeiden können, uns ungewollt immer wieder in diese Gruppe der Pharisäer einzureihen. Als die Jünger den Blinden sehen, fragen sie Jesus: „Wer hat gesündigt, er oder seine Eltern?“ Doch Jesus lässt diese Art der Fragestellung nicht zu. Es geht ihm nicht darum, einen Schuldigen zu suchen, sondern vielmehr sieht er die Blindheit dieses Mannes als eine Möglichkeit, „das Wirken Gottes offenbar werden zu lassen“.
Dieser Paradigmenwechsel ist es, der uns helfen kann - nicht warum und wieso, schon gar nicht „Wer ist schuld?“, sondern vielmehr den Blick gerichtet auf die Chancen und Möglichkeiten, die wir haben.
In jener Zeit
1 sagte Jesus ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
2 In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
3 In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind!
4 Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5 trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6 Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt.
7 Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?
Für mich enthält das heutige Evangelium etwas unheimlich Beruhigendes, eine unglaubliche Zusage, oder wie es Erhard Eutebach in seinem Predigtgarten formuliert – eine 100%ige Erfolgsgarantie (ohne jegliche Bedingungen): Wenn Du betest, wenn Du ein Bittgebet formulierst, Gott einen Wunsch, ein Bedürfnis vorlegst, dann kannst Du davon ausgehen, dass er darauf reagiert, dann kannst Du Dich sogar darauf verlassen, dass er Dir auf Deine Bitte antwortet und Dir hilft.
Pater Andreas hat heute noch einige andere Textstellen zitiert, in denen Jesus uns bekräftigt, dass Gott wie ein guter Vater uns – seinen Kindern, die ihn um etwas bitten – auch ihre Bedürfnisse und Notwendigkeiten geben wird, nicht einen Stein oder Skorpion wenn sie eines Stückes Brot oder eines Fisches bedürfen.
Erhard Eutebach spricht davon, dass die Erfüllung eines Wunschgebetes ein Wunder sei – vielleicht ist das ja nicht immer der Fall, aber ich darf schon auch daran glauben, dass mein Bittgebet auch dann Erfüllung finden wird, wenn dazu ein Wunder nötig ist.
Ich selbst kann dazu eines meiner Erlebnisse anführen: Vor etwa vier Jahren habe ich mit meiner Familie gemeinsam ein neues Zuhause gesucht. Schon seit langer Zeit hatten wir uns nach einer neuen Bleibe umgesehen – leider erfolglos. Dann plötzlich drängte uns – sagen wir ´mal das Schicksal – zu einer raschen Entscheidung. Wir hatten plötzlich nur noch wenige Wochen Zeit für die Suche, und dabei Ansprüche an unser zukünftiges Heim, die sowieso kaum zufrieden zu stellen schienen. Unser einziges Verdienst war es, dass wir nicht aufgegeben und keine Sekunde daran gezweifelt haben, dass wir unser neues Heim finden werden. Der Rest war ein Wunder: ein Wunder, an dem einige Menschen unserer Umgebung mitgewirkt haben – und binnen kurzer Zeit wussten wir, dass wir eine neue Heimat gefunden hatten, die unsere Hoffnungen und Träume noch übertrifft.
Ein Einzelfall? Ein Zufall? Vielleicht.
Und kann es eine 100ige Erfolgsgarantie überhaupt geben?
Unsere Vernunft sagt uns, dass die Welt nun einmal nicht immer in allen Einzelheiten so laufen kann, wie ich persönlich mir das vorstellen würde. Während ich um Sonnenschein für die Party bete, betet mein Nachbar vielleicht um Regen für das Gemüsebeet – wer soll hier erhört werden?
Kann ich mir eine „Vorzugsstellung“ erkaufen oder erarbeiten – der bravere Christ wird Erhörung finden? Der freizügigere Spender? Derjenige mit dem kürzeren Sündenkonto? Der, mit der geglückten Beziehung und den fromm erzogenen Kindern?
Das sehe ich nicht so, denn Jesus spricht nicht davon, dass Gott die Bitten der Seinen nur dann erhört, wenn sie irgendwelche Bedingungen erfüllen. Er spricht davon, dass allein der inständigen, der ausdauernden und überzeugten Bitte wegen ihre Erhörung gewiss ist.
Oder darf ich nur nach bestimmten Dingen bitten – nur nach Lebensnotwenigem? Oder nur nach dem, was mir Seelenheil verschafft? Oder gar in vorbildlicher Nächstenliebe nur für andere, doch nicht für mich selbst? Abgesehen davon, dass Jesus uns als Grundzug für unser christliches Leben vorgibt, du sollst „den Nächsten lieben WIE DICH SELBST“, lehren uns schon die Psalmen des Alten Testaments, die für Jesus selbst ja zum religiösen Alltag gehören, dass wir Menschen ALL unser Denken, Fühlen und Wünschen vor Gott legen dürfen und sollen (um es dann gemeinsam mit ihm zu betrachten?).
Pater Andreas erinnerte uns heute daran, dass Jesus selbst am Gründonnerstag am Ölberg sprach „Vater, nimm diesen Kelch von mir – aber nicht mein Wille sondern Dein Wille geschehe“. Wir verwenden diese Worte bei jedem Vater Unser – Dein Wille geschehe. Und es brauchen keine resignierten Worte zu sein, vielmehr vertrauensvolle. Denn wenn Dein Wille geschieht, dann wird es zu unser aller Wohl sein. Und wenn es nicht genau so aussieht, wie ich es mir vorgestellt habe, selbst wenn es mühsam wird für mich, so wirst Du mir dabei helfen. Um bei unserem Party-Beispiel zu bleiben: Selbst wenn der erhoffte Sonnenschein ausbleibt, werden wir einen Weg finden, trotz Regenwetter zu feiern.
„Du bist die Antwort auf meine Gebete“ – ich habe vor vielen Jahren einmal eine recht amüsante Kurzgeschichte gelesen, in der eine Ehefrau ihr Leid in der Beziehung klagt – all die Kleinigkeiten, die im menschlichen Miteinander mit ihrem Partner ihr selbst oft Probleme bereiten. Und sie meint, wenn sie um einen guten Mann gebetet hatte, so hätte sie ganz sicher nicht an jemanden gedacht, der all diese Fehler mitbringen würde. Doch fast abschließend meint sie „Du bist die Antwort auf meine Gebete – nicht die Antwort, um die ich gebeten hatte, aber ganz eindeutig die Antwort.“
Vor wenigen Wochen haben wir unsere Chorleiterin und Organistin Andrea verabschiedet, als sie sich auf den Jakobsweg nach Santiago gemacht hat. Eine der prägenden Erfahrungen aller Jakobspilger ist das „sich jeden Tag neu auf den Weg machen müssen, jeden Tag auf Neues einlassen müssen, selbst wenn die Rahmenbedingungen, das Wetter, was auch immer nicht den eigenen Hoffnungen, den Wunschgebeten, entsprechen – in der Gewissheit, dass es auch diesen Tag ein Stück weiter geht und am Abend ein Bett auf mich wartet.“
Auch Pater Andreas hat uns heute ein sehr persönliches Beispiel seiner jüngsten Vergangenheit erzählt, als er das Gefühl hatte, seine Gebete würden ungehört verklingen, und dann doch sehen durfte, dass er erhört wurde, doch eben in anderer Form, als er sich das ursprünglich erhofft hatte.
Hier ist es das Vertrauen in die Weisheit und Güte Gottes, der uns immer halten und tragen wird, die uns doch Zuversicht geben können.
Lassen wir uns von dieser Zuversicht in die Woche hinaustragen: Wir dürfen und sollen unsere Hoffnungen und Bedürfnisse vor Gott legen, und wenn wir ihn um Hilfe bitten, dann sollen wir das stets in der Hoffnung, sogar in der Gewissheit tun, dass unser Vater unser Flehen vernehmen wird und beantwortet – beantwortet in einer für uns positiven und förderlichen Art.
In jener Zeit
22 zog Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte.
23 Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen:
24 Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen.
25 Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid.
26 Dann werdet ihr sagen: Wir haben doch mit dir gegessen und getrunken, und du hast auf unseren Straßen gelehrt.
27 Er aber wird erwidern: Ich sage euch, ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle unrecht getan!
28 Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid.
29 Und man wird von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen.
30 Dann werden manche von den Letzten die Ersten sein und manche von den Ersten die Letzten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Lesen oder Hören dieses Evangeliums gegangen ist. Als ich in der Vorbereitung diese Bibelstelle zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mir nur gedacht: „Na, das ist ja starker Tobak, und das soll eine Frohbotschaft sein?“ Diese Drohungen, dieser ungnädige Hausherr an der Himmelstür, der nicht nur abweist, der den Klopfenden sogar verleugnet („Ich weiß nicht, wer ihr seid und woher ihr kommt“) und das für immer und ewig, das passt so gar nicht zu meinem Gottesbild des liebenden Vaters, immer gnädig und verzeihend, zu dem Bild, das Jesus uns in Gleichnissen wie dem vom verlorenen Sohn zeigt, oder vom Hirten, der jedes einzelne, verlorene Schaf sucht. Zu Gott, der uns nach jedem Fehltritt immer nochmals eine Chance gibt. Wie passt das alles zusammen?!
Der Kontext, in dem Lukas diese Worte wiedergibt, ist Jesu Weg nach Jerusalem. Unterwegs spricht Jesus von Gott und vom anbrechenden Reich Gottes. Und dann stellt ihm jemand aus der Menschenmenge eine scheinbar ganz harmlose Frage: „Sind es nur wenige, die in das Reich Gottes kommen?“
Wir kennen Situationen, in denen Jesus von den Zuhörern irgendwelche Fragen gestellt werden, oftmals sogar Fangfragen. Gewöhnlich reagiert Jesus auf solche Fragen sehr gelassen. Statt zu antworten, beginnt er in den Sand zu zeichnen, oder er umgeht eine direkte Antwort und erzählt stattdessen ein Gleichnis.
Auch diese scheinbar ganz harmlose Frage aus dem Blauen heraus betrifft in Wirklichkeit eine hochbrisante theologische Streitfrage der damaligen Gesellschaft: Bei einigen Propheten heißt es, dass nur wenige gerettet werden, und an anderer Stelle wird davon gesprochen, dass Gott das ganze Volk Israel retten und befreien wird.
Wer hat also nun Recht? Darf man für die Endzeit optimistisch oder muss man pessimistisch sein?
Stellen wir uns vor, Jesus wäre heute in Menschengestalt in unserer Mitte und wir würden ihn heute fragen: Wie viele Heilige werden am Ende der Tage in den Himmel kommen? Und stellen wir uns weiter vor, Jesus würde diese Frage heute und hier bei uns beantworten und irgend eine Zahl nennen, sagen wir, es werden nicht mehr als 100.000 sein, die in das Reich Gottes eingehen werden:
Dann hätten wir im Pfarrcafé eine Beschäftigung, denn dann könnten wir mit unseren Taschenrechnern und Computern nachrechnen, wie viele Menschen seit Abraham diese Erde bevölkert haben und ob es denn wahrscheinlich ist, dass zumindest ein Mitglied unserer Gemeinde in den Himmel darf. Für mich persönlich würde das bedeuten, dass ich ab sofort an den Sonntagen noch länger schlafen darf, denn da ich nicht die Frömmste hier bin, könnte ich ebenso gut gleich aufgeben.
Würde Jesus andererseits auf diese Frage antworten, dass alle Kinder Gottes in seinem Reich Aufnahme finden werden, dann wäre damit auch die Versuchung sehr groß, dass wir jegliche Bemühungen um ein rechtes Leben fortan vernachlässigen würden.
Jesus lässt sich auch diesmal nicht zu einer verhängnisvollen Antwort provozieren. Statt dessen reagiert er mit einer gleichnishaften Rede, welche drei Teile beinhaltet: eine Aufforderung, eine Mahnung und auch eine Frohbotschaft.
Er fordert uns auf, darum zu kämpfen, durch das enge Tor zu gehen. Das Bild vom engen Tor findet sich in den Evangelien des Öfteren. Es assoziiert, dass es nicht einfach ist, durch zu kommen; dass nicht alle durch das enge Tor gehen werden; wenn es ein enges Tor gibt, dann liegt auch der Schluss nahe, dass es vielleicht auch ein anderes, vielleicht bequemeres und breites Tor gibt und dass wir also wählen können/sollen; dass das enge Tor vielleicht auch nicht immer einfach zu finden sein wird. Und wir sollen jetzt kämpfen, heute würden wir vielleicht sagen, wir sollen uns bemühen, uns anstrengen, durch dieses enge Tor des rechten Lebens, des wahren Lebens zu kommen.
Und dann folgt eine scharfe Warnung, die Jesus dieser Aufforderung mitgibt:
„Denn viele, so sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber sie werden es nicht vermögen. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat, und ihr draußen steht und anfangt, an die Tür zu klopfen… Und er wird euch sagen: Ich weiß nicht, wer ihr seid. Tretet weg von mir, all ihr Täter des Unrechts.“
Wieso um Gottes Willen sperrt denn jemand die Tür zu?
Hier in Wien verschließen die meisten Leute die Haustür immer. Bei uns in der Siedlung ist das noch so wie in meinen Kindertagen am Land: Die Haustür steht immer allen Gästen offen. Nur wenn der letzte Bewohner das Haus verlässt, also keiner mehr da ist, oder aber am späten Abend, wenn alle zu Bett gehen, dann verschließt der Letzte die Tür.
Wenn ich also irgendwo hinkomme und die Tür verschlossen ist, dann deswegen, weil ich zu spät gekommen bin.
Ich kann mir das bildlich so richtig vorstellen, und wer mich kennt, kann mir da sicher gut folgen – wie ich noch hunderttausend verschiedene Kleinigkeiten zu erledigen hatte und dann wieder einmal in letzter Minute oder eben nicht mal mehr dann, wieder einmal zu spät komme. Ich habe den richtigen Moment verpasst, ich hätte meine Prioritäten und meine Einteilung so richten müssen, dass ich rechtzeitig da bin. Jetzt, wenn alle schon schlafen, da kann ich nicht irgendwo klopfen – da langt es nicht, wenn ich mit dem Hausherrn einmal in der U-Bahn nett geplaudert habe. Um diese Zeit kann ich nur mehr bei einem echten Freund klopfen, bei jemandem, zu dem ich eine enge Beziehung habe.
Und ich glaube, genau um diese beiden Punkte geht es in den Worten dieses Evangeliums:
Das Reich Gottes ist offen für alle, die sich auf eine Beziehung mit Gott einlassen und die diese Beziehung pflegen und die das nicht auf den morgigen Tag verschieben. Und es geht darum, uns nicht mit tausenderlei Nebensächlichkeiten aufzuhalten und das Reich Gottes auf später, gar auf „nach dem Tod“ zu verschieben, sondern hier und jetzt die Zeit zu nützen, unser Leben, jeden einzelnen Tag (Carpe diem!), um am Bau des Reiches Gottes hier und jetzt mitzuwirken.
Für alle, die das verabsäumen, verwendet Jesus doppelt und dreifach scharfe Worte. Diese
Wer nicht hier und jetzt am Aufbau des Reiches Gottes mitzuarbeiten versucht, der ist Jesus nicht nur fremd, der ist hinderlich am Reich Gottes – „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“.
Wer aber versucht, am Reich Gottes zu bauen, für den hat Christus die Frohbotschaft: „Und sie werden kommen von Osten und Westen, von Norden und Süden, und zu Tisch liegen im Reich Gottes.“
Du musst nicht Stammvater oder Prophet sein, du musst nicht einmal aus dem Volk Israel kommen – Lukas adressiert das gerade an seine spezifische Leserschaft, die Heidenchristen, also gerade auch an uns – denn Gott beruft aus allen Himmelsrichtungen und allen Völkern.
Und die Gerechtigkeit Gottes ist dabei nicht von dieser Welt. Wir können gleich wieder aufhören, zu streiten, wer von uns der erste unter den Jüngern sein wird, wir brauchen nicht nach dem Span im Auge des anderen zu schielen, sondern können ruhig vor der eigenen Tür kehren und uns unseren eigenen Aufgaben stellen.
Aber wir müssen auch nicht verzweifeln, wenn wir gescheitert sind, denn „Es sind letzte, die erste sein werden, und erste, die letzte sein werden.“ Oder wie ein spanisches Sprichwort sagt: „Gott schreibt auf krummen Linien gerade.“
1 Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:
2 eine Zeit zum Gebären / und eine Zeit zum Sterben, / eine Zeit zum Pflanzen / und eine Zeit zum Ausreißen der Pflanzen,
3 eine Zeit zum Töten / und eine Zeit zum Heilen, / eine Zeit zum Niederreißen / und eine Zeit zum Bauen,
4 eine Zeit zum Weinen / und eine Zeit zum Lachen, / eine Zeit für die Klage / und eine Zeit für den Tanz;
5 eine Zeit zum Steinewerfen / und eine Zeit zum Steinesammeln, / eine Zeit zum Umarmen / und eine Zeit, die Umarmung zu lösen,
6 eine Zeit zum Suchen / und eine Zeit zum Verlieren, / eine Zeit zum Behalten/ und eine Zeit zum Wegwerfen,
7 eine Zeit zum Zerreißen/ und eine Zeit zum Zusammennähen, / eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden,
8 eine Zeit zum Lieben / und eine Zeit zum Hassen, / eine Zeit für den Krieg / und eine Zeit für den Frieden.
9 Wenn jemand etwas tut - welchen Vorteil hat er davon, dass er sich anstrengt?
10 Ich sah mir das Geschäft an, für das jeder Mensch durch Gottes Auftrag sich abmüht.
11 Das alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit. Überdies hat er die Ewigkeit in ihr Herz hineingelegt, doch ohne dass der Mensch das Tun, das Gott getan hat, von seinem Anfang bis zu seinem Ende wiederfinden könnte.
12 Ich hatte erkannt: Es gibt kein in allem Tun gründendes Glück, es sei denn, ein jeder freut sich und so verschafft er sich Glück, während er noch lebt,
13 wobei zugleich immer, wenn ein Mensch isst und trinkt und durch seinen ganzen Besitz das Glück kennenlernt, das ein Geschenk Gottes ist.
14 Jetzt erkannte ich: Alles, was Gott tut, geschieht in Ewigkeit. Man kann nichts hinzufügen und nichts abschneiden und Gott hat bewirkt, dass die Menschen ihn fürchten.
15 Was auch immer geschehen ist, war schon vorher da, und was geschehen soll, ist schon geschehen und Gott wird das Verjagte wieder suchen.
Ich mag das Buch Kohelet – oder Prediger, wie es in der Evangelischen Kirche genannt wird – seit meiner Jugend, vielleicht weil es in manchen Passagen so lyrisch, poetisch klingt. Tatsächlich handelt es sich um sogenannte Weisheitsliteratur von Ende des dritten, Anfang des zweiten Jahrhunderts vor Christi Geburt.
Gerade der Anfang von Kapitel drei: „Alles hat seine Stunde“, ist ein oft zitierter, sehr lyrischer Text, der ja gerade in schwierigen Zeiten sehr ermutigend wirkt. Weniger ermutigend klingt der weitere Textverlauf: „Wenn jemand etwas tut – welchen Vorteil hat er davon, dass er sich anstrengt.“ Es ist ja auch Kohelet, der alles im Leben mit einem vergänglichen Windhauch gleichsetzt. Mir fallen dazu zwei spätere Weisheiten ein, die mir helfen, diese Stelle zu verstehen.
Der jüdische Musiker Roman Grinberg hat bei einer Vorstellung eine rabbinische Weisheit erklärt, die den Ablauf des Lebens mit einem sich drehenden Rad vergleicht: Ist man ganz oben, so geht es zwangsweise bald wieder nach unten; ist man aber ganz unten, so kann man darauf vertrauen, dass es jetzt wieder bergauf gehen muss. Deswegen wünsche man nie das vollkommene Glück, sondern immer „a bissl a Glick“. Dieses Bild ist für mich sehr tröstlich und passt gut zum Windhauch des Gelehrten Kohelet, aber auch dazu, dass eben alles im Leben seine Stunde hat – das oben sein und das unten sein.
Die französische Mystikerin Madeleine Delbrel beschreibt das Annehmen von Herausforderungen, Erfolgen und Misserfolgen, als den eigentlichen Gehorsam Gott gegenüber: „Die geringen Umstände sind die getreuen Oberen, und die Ja, die wir ihnen schulden, lösen sich immerfort ab.“ Wenn sie einfordert, das alltägliche Handeln am Evangelium auszurichten, dann ist das dieselbe Ethik, wie Kohelet, wenn er einmahnt, alles irdische sei Windhauch.
Er nützt nichts zu klagen über eine Gegenwart, die doch bald wieder Vergangenheit ist. Vielmehr sollen wir die Zeit, die uns gegeben ist, weise nützen, und jeden Moment der Freude in vollen Zügen genießen.
Der Evangelist Markus erzählt von der Verklärung Jesu. Die Apostel Petru, Jakobus und Johannes, die dabei sein dürfen, sind beeindruckt, um nicht zu sagen benommen von dem Erlebnis. Doch Jesus schärft ihnen ein, niemanden davon zu erzählen, bevor er vvon den Toten auferstanden ist.
"Was ist das: von den Toten auferstehen?" - das fragten sich die Apostel damals. Und das fragen auch wir heute oft: Was bedeutet es, von den Toten aufzuerstehen?
Auferstehung ist jedenfalls schwer vorstellbar.
Wir sind noch nicht bei der Auferstehung angelangt. Wir leben im Hier und Jetzt.
Manchmal im Leben dürfen wir so einen Moment erleben, der wie ein Bild von Auferstehung ist. So wie die Jünger eine Verklärung erleben.
Wie ein kleines Vorgefühl auf die Auferstehung.
Dieses kurzfristige Vorgefühl kann uns die Kraft geben, vor der Auferstehung unser irdisches Leben zu leben
Das volle Leben zu leben.
Verschriftlichung der Jugendmesse in der Gemeinde St. Katharina.
Das Wunder der Brotvermehrung ist nur eines von vielen Wundern, von denen die Bibel berichtet. Nicht nur im Neuen Testament, auch im Ersten Testament wird immer wieder von Wundern erzählt, die Gott, oft durch seine Propheten oder Heiligen, wirkt. Heute tut man das oft leichtfertig ab, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Wahrnehmung von Wundertate damals einfach ein ganz normales Alltagsgeschehen war, weil man sich vieles Geschehen mangels Naturwissenschaften aus der bloßen Alltagserfahrung heraus nicht anders als über Wunder erklären konnte. Ja, im Pantheismus sei Natur ja direkt als Erscheinungsform verschiedener Gottheiten betrachtet worden, also sei die „Reduzierung“ auf einen Gott und seine Wundertaten ja quasi schon ein Fortschritt in der Zivilisation der Menschheit.
Andererseits sendet Jesus in Lk 10,1-20 und Mt 10,5-8 die Apostel bzw. die Jünger aus, um das Kommen des Gottesreiches zu lehren und zu heilen, sogar Dämonen auszutreiben – also Wunder zu tun. (Und auch die Apostelgeschichte berichtet dann von den Wundertaten, die durch die Anhänger Jesu geschahen.) So sollen auch wir uns berufen fühlen, Zeugnis abzulegen und Wunder zu tun: Wir sollen die Menschen sättigen und heilen, aus der christlichen Lieber heruas und auch ganz ohne „magische“ oder übernatürliche Zutaten. Sicher ist das ein Auftrag an uns, den wir nicht vergessen dürfen, aber ist es das schon gewesen? Als Erklärung für Wundertaten ist mir das ein wenig seicht und schwach.
Ich war noch sehr jung, als ich mit einem keineswegs kirchlich sozialisierten Mann liiert war. Er duldete meinen Kontakt zur Kirche, aber gefreut hat er sich nicht darüber. Zu Ostern wollten wir dann meine Eltern besuchen und ich wollte dort in die Auferstehung gehen, wo ich schon in meiner Kindheit die Ostertage gefeiert hatte. Doch durch ein Missverständnis waren wir zu spät d´ran und ich hatte so die Auferstehungsmesse in der Gemeinde meiner Eltern versäumt. Ostern ohne Auferstehung - für mich brach beinahe der Himmel ein. Mein Begleiter schnappte mich, kündigte meinen Eltern unserer Rückkehr nach der Messe an und dann fuhr er mich in unsere Wohngemeinde, wo wir die dortige Auferstehungsmesse noch zeitgerecht erreichten – und er ertrug die mehrstündige Messe, um mich anschließend wieder sicher heim zu bringen. Das war ein Wunder, ein Osterwunder im wahrsten Sinn des Wortes. Nichts widernatürliches, nichts unmögliches, aber ein ganz und gar unerwartetes Geschenk Gottes durch eines seiner Kinder.
Jeder Mensch darf solche Wunder erleben, mehrmals im Leben. Manchmal sind die kleinen Wunder des Alltags nicht ganz so augenscheinlich – ein Lächeln gerade in dem Moment, in dem man zu verzweifeln drohte, ein Sonnenstrahl, der genau so auf etwas fällt, dass wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten und damit etwas gutes, neues entdecken,...
Ich bin überzeugt, dass es völlig gleichgültig ist, ob wir irgend wann manche oder gar alle Wundererzählungen der Bibel mit den Naturgesetzen erklären können. Und sicher soll jedes Wunder auch eine Aufforderung an uns sein – das Wort Gottes an uns hat ja immer viele Facetten und Ebenen! Aber wir dürfen Wunder damals wie heute auch einfach als Wunder annehmen, als unerwartetes Geschenk Gottes an uns empfangen und uns darüber freuen. Nur übersehen und übergehen sollten wir sie nicht!
Am Dreifaltigkeitssonntag wurden wir angehalten, uns nicht nur zur Dreifaltigkeit selbst, zur Lehre von einem Gott in drei Personen, Gedanken zu machen, sondern auch zu den Gottesbildern, die sonst noch so im gläubig-frommen Umfeld grassieren. Dabei fiel auch wieder einmal das Zitat des jüdischen Philosophen Hans Jonas: „Nach Ausschwitz kann von einem allmächtigen Gott nicht die Rede sein.“
Jedes Mal, wenn ich dieses Zitat höre, überlege ich mir, warum ich ausgerechnet im Angesicht von Ausschwitz an der Allmacht unseres Gottes zweifeln sollte. Warum sollte ich so weit zurückgehen. Reicht es nicht, wenn ich ins heutige Japan gehe, um die vielen unschuldig Verstrahlten zu sehen; wenn ich nach Afrika oder in den arabischen Teil der Welt gehe, oder nach Lateinamerika, um das Elend und die Ungerechtigkeit dort zu erleben; reicht es nicht, hier in Wien mitzuerleben, wie Kinder misshandelt und missbraucht werden, oft Jahre lang, ohne dass ihnen Hilfe widerfährt; dass andere Menschen diesen Misshandlungen hilflos zusehen müssen. Wo ist denn da Gott – ein gütiger, liebevoller Gott, der allmächtig ist, der kann da doch nicht einfach tatenlos zusehen?! Ich will das Elend und den Schrecken des Holocaust ganz gewiss in keiner Weise schmälern, und doch: Ich brauche gewiss kein Ausschwitz, um Angesichts des Leides dieser Welt die Allmacht Gottes zu hinterfragen.
Allmacht kann sehr umfassend aufgefasst werden, wenn es für Gott keine Grenzen des Denken und des Handelns gibt, unabhängig von den Naturgesetzen (Wunder) und der Logik. Oder aber ich kann diese Allmacht Gottes begrenzt sehen z. B. auch durch selbst wiederum göttliche Eigenschaften wie Güte, Liebe, Ermöglichung der Willensfreiheit, usw. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Allmacht).
Mir persönlich erscheint es hier völlig einleuchtend, dass ein Gott, wie er uns im Alten und im Neuen Testament geschildert wird, ein Gott, der dem Menschen die Freiheit zur oder gegen die Sünde, zur Entscheidung für oder gegen ihn selbst offen lässt, dass solch ein Gott in seiner Allmacht beschränkt sein muss durch die Ermöglichung der Willensfreiheit des Menschen.
Wenn ich also Leid verursache oder nicht abwende, so mag das meiner Willensfreiheit entsprechen – was kann aber der schuldlos Leidende dafür, wenn ich schließlich zögere zu helfen – wie kann ein allmächtiger Gott hier zwischen unserer Willensfreiheit, seiner Allmacht und seiner Liebe und Güte abwägen?
In Konfrontation mit dem Leide der Welt – Leid wie jenes in Ausschwitz oder jenes hier bei uns – geraten Menschen in Zweifel über die Allmacht Gottes und fragen sich, wie diese Allmacht mit der Liebe und Güte Gottes zu vereinbaren sind Theodizee).
Jürgen Kuhlmann (Predigt zum großen Credo) schreibt dazu: 'Drei Attribute Gottes – absolute Güte, absolute Macht und Verstehbarkeit – stehen in einem solchen Verhältnis, dass jede Verbindung von zweien das dritte ausschließt. … Nach Auschwitz müssen wir entschiedener als je zuvor behaupten, dass eine allmächtige Gottheit entweder nicht allgütig oder in ihrem Weltregiment total unverständlich wäre. Also muss das … Attribut Allmacht weichen.' Weiter ersetzt er im Glaubensbekenntnis 'Gott den Allmächtigen' – indem er den Begriff aus dem altgriechischen Original des Credos selbst übersetzt – mit 'Gott der Allherrscher'. Gott als der gute Herrscher per excelance, der sich um die Seinen kümmert und dem Unterdrückten letztlich zum Recht verhilft. Das Glaubensbekenntnis als Aufschrei an einen Gott der Befreiung, wie ihn schon unsere jüdischen Brüder und Schwestern aus dem Exodus selbst kennen und wie wir ihn im Ostergeschehen erfahren.
Für mich persönlich ist diese 'Neuübersetzung': 'Ich glaube an Gott, den Vater, den Allherrschenden…' nicht wirklich zufrieden stellend. Vielmehr erscheint sie mir wie ein Versuch, das nicht Vereinbare nach außen zu rechtfertigen. Vielleicht, weil die Frage nach der Vereinbarkeit eines allmächtigen, liebenden Gottes mit dem Leid in dieser Welt für mich weniger eine Frage des Gottesbildes ist, sondern eher die Überlegung, ob ich die Vernunft meines Glaubens an einen Gott, wie er uns in den Schriften offenbart wird und wir ihn im Credo bekennen, ob ich die Vernunft dieses Glaubens rechtfertigen kann, wie das von uns Christen gefordert ist.
Die Erfahrung von Leid ist nichts Neues – nicht jetzt und auch nicht zurzeit von Ausschwitz.
Schon im Alten Testament (besonders in den Weisheitsbüchern) formulieren die Menschen Gedanken über den Sinn oder die Rechtfertigung von Leid. Das Paradebeispiel ist natürlich die Geschichte von Hiob, der völlig unverschuldet leidet, dafür sogar noch verachtet und verurteilt wird – und trotzdem nicht an Gott zweifelt. Gerade diese Geschichte widerspricht auch schon der von Pater Albert kritisierte Vorstellung vom „strafenden Gott“ – Hiob zeigt ganz deutlich: Leid ist nach Auffassung der Juden (und in Folge auch der Christen) NICHT Strafe Gottes, vielmehr oftmals unergründlich und unverständlich für uns. Wichtig ist vielmehr, wie wir mit Leiderfahrungen umgehen, ob unser Glaube dieser Herausforderung standhalten kann.
Aber ist es dann noch vernünftig, an so einen Gott zu glauben – oder muss ein logisch denkender, vernünftiger Mensch im Angesicht des Leids den Glauben verlieren. Der jüdische Autor Elie Wiesel lässt in einem seiner Romane Michael, die Hauptfigur, sagen: „Ich möchte Gott lästern, aber ich kann es nicht. Ich hebe die Faust, ich schäume vor Wut, aber damit sage ich doch, dass er da ist.“ Manchmal kann das vielleicht ein erster Schritt sein, festzustellen, dass er da ist – wie in manchen Psalmen, die auch als Anklage beginnen und dann zur Zuversicht und zum Lobpreis führen.
Der Schweizer Theologe Hans Küng schreibt, dass der Unterschied des gläubigen Menschen darin bestehe, dass er in der Erfahrung des Leids sich von Gott gehalten und getragen weiß.
Mir fällt da immer die Geschichte ein, da ein Mensch mit Gott gemeinsam auf sein Leben zurückblickt. Und er beschwert sich, dass es doch oft sehr schwer war, sein Leben, und oft weite Strecke durch die Wüste führte. Gott habe doch versprochen, ihn nie allein zu lassen – aber oft habe er von der Gegenwart Gottes nichts gespürt. Und Gott zeigt ihm den Weg seines Lebens – die Spur von zwei Paar Füßen – der Beweis, dass er nie alleine war. Aber da, an einer besonders schwierigen Stelle, da ist nur ein Paar Füße alleine gegangen. „Da hast Du mich doch alleine gelassen, Herrgott, gerade da, als ich Dich am dringendsten brauchte!“ Doch Gott erwidert schmunzelnd: 'Nein, mein Freund, da war es so schwierig für Dich und Du warst so müde, dass Du nicht mehr gehen konntest – da habe ich Dich getragen. Es ist meine Spur, die Du siehst.'
Oder, um vom Glaubensbekenntnis zu jenem Gebet zu kommen, dass Jesus selbst uns gelehrt hat: In Zeiten der Verzweiflung betete ich oft '…Dein Wille geschehe' – um in Gedanken resigniert und zynisch zugleich zu ergänzen 'denn gegen Dich habe ich ja sowieso keine Chance, Du allmächtiger Gott Du.' Manchmal war es ein gar langer Weg zum '…Dein Wille geschehe – denn Du wirst hoffentlich wissen, wo das alles hinführen soll. Musst mir´s dann halt auch mal zeigen bitte!'