Ein vielseitiger Mann

Prof. MCDr Rom Kostricas Karriere begann 1973 als Sekundararzt an der St. Anna Universitätsklinik in seiner Geburtsstadt Brünn. 2012 startete er dort als Direktor der Klinik ein Programm zur Cochlea Implantation.

Als HNO-Spezialist hat Prof. Kostrica sieben Jahre lang eine HNO-Abteilung auf Malta geleitet, dann die Fachabteilung der Universitätsklinik in Brünn. Seit 1997 ist er nun Direktor der HNO-Klinik an der Universitätsklinik St. Anna, ebenfalls in seiner Heimatstadt. 2001 wurde er ins Parlament berufen, betätigt sich dort im Resort „Unterricht und Forschung“ und ist seit Ende 2013 auch im Gesundheitsresort aktiv. Fast zeitgleich mit seinem politischen Engagement wurde er auch Vorsitzender der tschechischen HNO-Gesellschaft. Vor nunmehr zwei Jahren startete Prof. Kostrica ein umfangreiches CI-Programm am St. Anna Spital.

Ein so vielseitiges Tätigkeitsfeld erfordert viel Zeit und Engagement. Kommt man als Besucher an die Klinik, nimmt man diesen Stress aber nicht wahr: Die alten Mauern strahlen ebenso viel Ruhe und Sicherheit aus, wie die Kliniker, denen man dort begegnet. Prof. Kostrica hat den Vortag bei einer wissenschaftlichen Tagung in Prag mit 180 Forschern aus Tschechien und Großbritannien verbracht. Jetzt kommt er von einer komplizierten Operation. Vor ein paar Jahren wäre die Doppelfunktion Primar und Politiker für ihn nicht möglich gewesen, erklärt er. „Jetzt haben wir hier ein Team, das die täglichen Operationen selbständig durchführen kann.“ Auch die politischen Aufgaben werden nach Möglichkeit teilweise delegiert.

In seinem sonnigen Arbeitszimmer, das gleichzeitig Bibliothek ist, erzählt der Professor abwechselnd auf Deutsch und Englisch von den Anfängen des CI-Programms an der Klinik: Während weltweit der technologische Fortschritt in sehr vielen HNO-Kliniken Einzug hielt – im Nachbarland Österreich bietet man aktuell an elf Kliniken Cochlea Implantation an - blieb in Tschechien Motol Prag mehr als zwanzig Jahre in einer Monopolstellung. Dies hatte zur Folge, dass vielen Patienten, besonders jene aus der Region Moravia, diese Therapie verwehrt blieb. In ganz Tschechien mit 10,5 Millionen Einwohnern wurden in mehr als 10 Jahren etwa 700 Patienten CI-versorgt, im Vergleich dazu im deutlich kleineren Nachbarland Österreich (8,5 Millionen Einwohner) pro Jahr bis zu 300 Patienten, sowie etwa 60 Patienten mit implantierbaren Hörgeräten verschiedenster Bauart. Erst 2011, so Prof. Kostrica, gelang es ihm auf Grund seiner Tätigkeit im Parlament die finanziellen Mittel für die Cochlea Implantation am St. Anna Spitals bewilligt zu bekommen. Seitdem wurden dort bis zum Zeitpunkt des Gesprächs etwa zwanzig Patienten erfolgreich versorgt. Die Tatsache, dass die Monopolstellung der Prager Klinik damit gebrochen ist, sieht Prof. Kostrica als einen Vorteil für alle Betroffenen.

 

Die St. Anna Klinik kann auch auf eine besonders gute Kooperation mit der Wiener Universitätsklinik verweisen, mit Prof. Baumgartner, der immer in „Standby“ ist, wie Prof. Kostrica sagt, und das Team bei den ersten Schritten der Implantation mit Rat und Tat begleitete. Auch heute stelle er bei kniffligen Fällen seine Erfahrung von mehr als tausend Cochlea Implantationen zur Verfügung. So konnte in Brünn ein hervorragendes Team wachsen, bestehend aus den Chirurgen Dr. Hlozek und Prof. Kostrica vom St. Anna Hospital und Dr. Slapak vom Kinderspital, dem Audiologen Dr. Talach und Mihal Vaclavik, dem Techniker der Klinik, sowie der Audiologin der Kinderklinik odb. as. MUDr. Klára Bartoňková, Ph.D.. Auch die technische Betreuung von Seiten des Herstellers hebt Prof. Kostrica lobend hervor.

In Tschechien werden Patienten immer noch nicht bilateral versorgt, aktive Mittelohrimplantate und Bonebridge-Implantate werden generell nicht von der Kasse bezahlt. Das sei alles „eine Frage des Geldes“, erklärt Prof. Kostrica. In anderen Ländern wie Österreich oder Deutschland, aber auch in der Slowakei sind diese Indikationen längst Standard. Zur Zeit des Gesprächs wird gerade an neuen Indikationen für Hörimplantate gearbeitet, die das auch in Tschechien ermöglichen sollen, wobei die Initiative hauptsächlich vom CI-Zentrum der Klinik St. Anna ausgeht.

Für die Patienten selbst bringt das zweite CI-Zentrum in Tschechien einen deutlich einfacheren Zugang zu Operation und Nachbetreuung, gerade auch im geographischen Sinn. Prof. Kostrica erklärt, einige seiner Patienten müssten nach Prag mit vier bis fünf Stunden Fahrzeit rechnen. Das ist viel Zeit, wenn man bedenkt, dass nach der Operation ja einige Termine zur Nachbetreuung, Anpassung und Rehabilitation notwendig sind. „Für manche ist das einfach nicht mehr machbar“, resümiert Prof. Kostrica.

Auch die innovativen Operationssäle in Brünn, wie der Primar stolz versichert die beste in ganz Tschechien, zählen als starkes Argument. Bei der Errichtung vor elf Jahren dienten OPs in Köln und Erlangen als Vorbild, die Hürden von Denkmalschutz und instabilen Baugrund wurden bewältigt und die beträchtlichen finanziellen Mittel aufgebracht, um modernste chirurgische Methoden wie Laserchirurgie und CT-Navigation zu implementieren. Eine eigene Sterilisation garantiert rasche und unabhängige Abläufe. Davon profitieren nun natürlich auch die Patienten bei den Cochlea Implantationen.

Ein MRI-Navigationsgerät wäre noch eine Bereicherung, die in mancher Hinsicht Erleichterung bringen würde. Wenn man die hochmodernen Operationsräume mit der bequemen, aber leicht abgesessenen Ledercouch in der Bibliothek vergleicht, spürt man, wo die Klinikleitung die Prioritäten setzt: bei der optimalen Betreuung der Patienten.

Abgesehen von weiterer OP-Ausstattung hätte Prof. Kostrica noch einen fast schon persönlichen Wunsch: „Wenn die Autobahn von Brünn nach Wien bald fertig würde, das wäre schon eine Erleichterung beim Reisen“, verrät er schmunzelnd, bevor er zur nächsten Besprechung eilt. Es scheint, Prof. Kostricas Wunsch könnte bald in Erfüllung gehen, denn wie kurz vor Redaktionsschluss bekannt gegeben wurde, soll die A5 nach Brünn bis 2017 bis zur tschechischen Staatsgrenze fertiggestellt werden und schon ab Dezember 2014 soll es eine regelmäßige Bahn-Schnellverbindung Wien-Brünn geben.

Autor: Eva Kohl, © Gehört.Gelesen 2014

Mit freundlicher Genehmigung des CIA und der Redaktion der Gehört.Gelesen