Creativ Interaktiv Auditiv

„Hörst du da Musik?“, der 19-Jährige fühlte sich von seinem Chef ertappt - dabei war der begeistert, dass ein CI-Nutzer so offensichtlich Musik genießt. Bei einem Eis nach Dienstschluss erzählt Oliver Suchanek über seine Liebe zu Musik und Fotographie und über seiner Kindheit und Jugend mit CI.

´mal ehrlich: Wer macht im Büro nicht manchmal auch ´was Privates? Ein kurzes Telefonat, ein Blick auf die private E-Mail oder ein wenig Musik hören – das kostet schließlich weniger Zeit als eine Zigaretten- oder Kaffeepause. Wenn der Chef vorbei geht, sollte er unsere kleinen Ausreißer freundlicherweise übersehen. Das wünschen wir uns zumindest.

Dieses Glück hatte Oliver Suchanek in seiner Ferialpraxis nicht. Sein Chef hat ihn direkt auf die Musik angesprochen, doch nicht aus Ärger, sondern weil er neugierig war und vielleicht etwas überrascht. Neugierig, weil die eigenen Kinder im gleichen Alter sind und man da immer gerne vergleicht. Überrascht, weil man von jungen Leuten generell annimmt, dass sie Musik-affin sind, aber nicht von einem gehörlosen jungen Erwachsenen, nicht ´mal, wenn er seit dem Alter von zwei mittels Cochleaimplantat hört.

Zwischen zwei Welten

Oliver Suchanek beschäftigt sich erst seit Kurzem mit der Gehörlosenwelt. Kontakt zu anderen Gehörlosen und auch zu CI-Nutzern habe er zwar immer gehabt – über Schule, Fahrtendienst und Internet: „Twitter, Instagram und so.“ Aber: „Mein aktiver Freundeskreis besteht hauptsächlich aus hörenden Menschen.“

Einfach war das für den HTL-Schüler nicht immer: „Ich bin ein elender Perfektionist. Ich wollte immer zeigen, dass ich ein ‚normales‘ Leben führen kann, wie hörende Menschen.“ Schwierigkeiten dabei hätten ihn angespornt, aber eine Zeit lang auch zu einer Identitätskrise geführt. „Heute liebe ich auch die Vorteile, gehörlos zu sein.“ Vorteile, wenn er schlafen kann, trotz donnerndem Gewitter oder nächtlich grölender Fans beim Nova Rock. „Ich weiß nur, dass es dort so laut war, weil es meine Freunde erzählt haben.“

Auch bei Konzerten genießt es der Hard-Rock Fan, dass seine Audio-Prozessoren die maximale Lautstärke automatisch begrenzen. „Wenn es rundherum lauter wird, wird mein Gerät leiser“, lacht er und bedauert normalhörende Freunde, die von der Lautstärke auch schon ´mal Tinnitus bekamen.

„Ich kann ohne Musik nicht leben!"

Auf Olivers dunklem T-Shirt prangt der neongelbe Schriftzug Nirvana. Einen zweiten Farbklecks bildet eine türkis-farbige Haarsträhne, der Rest an Oliver ist dunkel bis schwarz. Sein rechtes Armgelenk ziert Mitte August noch immer die Schleife des Nova Rock, zwei Monate nachdem das Festival das burgenländische Nickelsdorf in den Fokus der Musik-Szene rückte. „Ich hör gern die harte Richtung“, erklärt Oliver.

Schon klein-Oliver habe gern gesungen und getanzt, das erzähle seine Mutter oft. Später lernte er Klavier und Gitarre. Als er in der Schule über längere Zeit gemobbt wurde, entwickelte sich Musik zu Olivers Zufluchtsort. Auf YouTube entdeckte er erst Linkin Park, dann auch ähnliche Gruppen: Epica, Slayer oder Feine Sahne Fischfilet, alles englische oder deutschsprachige Metall-Bands, die auch auf der Nova Rock heuer aufgetreten sind.

Rockkonzerte hat er schon viele erlebt, aber in Parndorf war er heuer zum ersten Mal dabei: „Weil meine Mutter das früher für zu gefährlich hielt.“ Seine Augen glänzen, wenn der Metall-Fan von der ganz besonderen Stimmung am Festival schwärmt. Bei einer Party sei die Musik aber so laut gewesen, dass er das CI ausgeschalten habe. „Die letzte Stunde habe ich die Musik gespürt“: Bass hämmert im Bauch, E-Gitarren ziehen an der Handkante vom Handgelenk bis zur Spitze des kleinen Fingers, und Schlagzeug vibriert in den Füßen.

Vokal - Instrumental

Auf der Suche nach Menschen, die sich weigern, in Schubladen eingereiht zu werden und Vorurteile gleichzeitig bestätigen und widerlegen, wird man bei Oliver Suchanek fündig. Etwa das Vorurteil, gehörlose Menschen hätten ausgeprägte visuelle Fähigkeiten, aber sprachliche Mankos: Die Fotos des 19-Jährigen überzeugen mit Qualität und künstlerischer Kreativität. Gleichzeitig betätigt er sich erfolgreich als Blogger bei einer Online-Zeitung. Und obwohl gerade Metall und Rock mit ihren kräftigen Beats auch ohne Hören wahrnehmbar sind, fasziniert den Musik-Freak ein anderer Aspekt seiner Lieblingsgruppen: „Die Texte sprechen mich an.“

Wenn er neue Texte nicht immer gleich versteht, gehe es seinen normalhörenden Freunden ähnlich. „Dann muss ich ihn einmal lesen, dann geht es.“ Auch beim Musical sei der Text noch nie ein Problem gewesen. Egal, wo er gesessen ist: „Schikaneder war immer problemlos zu verstehen“, und das hat er schließlich vier Mal gesehen! Nur beim Soundtrack von Filmen und bei Klassik bevorzugt der Musik-Fan Instrumentales.

„Ich zocke gern!"

Seinen Computer-Spielen schuldet Oliver Suchanek ein hochqualitatives Head-Set – eine Kombination aus Kopfhörer und Mikrofon. Mit der Freisprechanlage interagiert er über Internet mit seinen Mitspielern. Die gut gepolsterten Muschel-Hörer bieten sogar Raumklang: „Damit ich beim Spiel höre, aus welcher Richtung ich angegriffen werde.“ Im Alltag kommt der Raumklang von den bilateralen SONNET-Prozessoren. Ein Programm für alle Hörsituationen und unterwegs genügt für das Musik-Hören das FM-Kabel mit dem gelben Ring. Beim Campen auf der Nova Rock kamen die Prozessoren zum Schlafen in ein Brillenetui – unkompliziert und problemlos.

Autor: Eva Kohl, © Gehört.Gelesen 2017

Mit freundlicher Genehmigung des CIA und der Redaktion der Gehört.Gelesen