Sprache der Poesie

Mërgim Osmani ist seit 2017 Mitglied beim Österreichischen SchriftstellerInnen-Verband und seit Jänner 2018 beim P.E.N.-Club Austria. Lange schien sein dichterischse Talent unter den Trümmern seines Vaterhauses verschüttet. Mittlerweile hat der Autor aus dem Kosovo meherere Gedichtbände publiziert, ein neues Buch mit autobiographischen Erzählungen soll folgen.

Der in Wien lebende CI-Nutzer Mërgim Osmani erzählte in der Gehört.Gelesen vom Oktober 2015 von seiner Flucht aus dem Kosovo nach Wien, seiner Ertaubung, Cochlea-Implantation und Rückkehr in die audioverbale Gesellschaft. Parallel zu seiner Ertaubung wieder-entdeckte er aber auch sein literarisches Talent.

Nach vier Gedichte-Sammlungen in albanischer Sprache, präsentierte Osmani seinen ersten Erzählband „die Blauäugige“, den Dr. Kurt Gostentschnigg ins Deutsche übersetzt hat. Der Grazer Übersetzer, der selbst einige Jahre in Albanien gelebt hat, hat nun auch die interessantesten jener Gedichte übersetzt, die bisher auf Albanisch erschienen waren – sie sollen noch heuer unter dem Titel „Poesie des Herzens“ erscheinen. Im Vorwort schreibt der Übersetzer: „Mërgim Osmanis Gedichte zeichnen sich einerseits durch die Einfachheit des Ausdrucks, andererseits durch die Behandlung der klassischen Themen wie Familie, Freundschaft, Heimat, Emigration, Natur, Leben, Liebe und Dankbarkeit aus.“ Über Osmani, der „philosophierend dichtet“, postuliert er: „Mërgim dichtet aus dem Herzen in das Herz.“

Osmani selbst arbeitet mittlerweile an seinem ersten autobiographischen Werk, dessen Publikation auf Albanisch und Deutsch er ebenfalls noch für dieses Jahr erhofft: „Ich bin schon ganz ungeduldig!“ Von seiner Mitgliedschaft bei P.E.N.-Austria und beim Österreichischen SchriftstellerInnen-Verband erhofft Osmani sich Unterstützung bei der Veröffentlichung.

Verschüttetes Talent

Zu schreiben begonnen hatte Osmani schon in der Schulzeit. In den Kriegswirren gingen diese ersten Aufzeichnungen verloren und in Österreich blieb ihm vorerst keine Zeit für Poesie. Erst als er Ende 2006 ertaubte, änderte sich das schlagartig: „Ohne dieses Unglück hätte ich vielleicht nie wieder geschrieben“.

So dichtet er wieder: Über das Hören und seine Schwierigkeiten damit, über seine Familie und die Menschen, die er liebt, über das Auf und Ab des Lebens. Osmani verfasst die Texte in seiner Muttersprache Albanisch, suchte aber schon bald nach jemandem, der sie in die Sprache seiner neuen Heimat übersetzen konnte: In Gostentschnigg von der Universität Graz wurde er fündig – in seinen Übersetzungen wird „nicht nur die Gedankenwelt des Autors gut sichtbar, sondern auch der Klang und die Rhythmik der albanischen Sprache“, lobt der Plattform-Verlag.

Inspirieren lässt sich der Autor von seinen Gefühlen: „Aber Inspiration ist etwas spontanes. Für mich ist die beste Zeit um Mitternacht. Wenn alles absolut ruhig ist, beginnt mein Kopf zu kochen und dann fange ich zu schreiben an.“

Seine Einfälle hält Omani als Gedanken-Fragment auf Papier fest, tippt sie in den Laptop oder in sein Facebook-Profil. Manche dieser Formulierungen finden später in eines der Gedichte Einzug, oder in eine Erzählung. In seinem ersten Erzählband „Die Blauäugige“, der 2016 auch auf Deutsch erschien, handeln die Geschichten von arrangierten Ehen und verbotener Liebe, sie bieten Allegorien und Stimmungsbilder. „Die Erzählungen bergen viele Überraschungen und führen direkt in eine - für uns oftmals ‐ neue Welt“, attestiert der Martinek-Verlag. Der Autor erklärt: „Ich habe geschrieben, was ich gesehen habe.“ Als autobiographisch will er nicht seiner Gedichte und bisherigen Erzählungen im der Mehrzahl trotzdem nicht verstanden wissen. An autobiographischen Geschichten arbeitet er aber jetzt: „Ein paar Erzählungen aus Kosovo, aber mehr Geschichten aus Wien.“

Autor in der Diaspora

Am 7. April 1971 bei Prizren in Kosovo geboren, absolvierte Mërgim Osmani ein naturwissenschaftlich ausgerichtetes Gymnasium. Das Studium der Geschichte musste er wegen der Verfolgung der Studierenden und Intellektuellen durch den jugoslawischen Staatssicherheitsdienst UDB abbrechen. Er floh zu seinem Vater nach Wien, wo er im Bauwesen seinen Lebensunterhalt verdiente.

2013 veröffentlichte Osmani seinen ersten Gedichtband auf Albanisch. Der Weg bis zu Veröffentlichung war steinig, denn als Neuling ohne Unterstützung eines Autoren-Verbands musste er vom Lektor bis zum Titelbild alles selbst organisieren, und auch für alle Kosten selbst aufkommen. ISBN-Nummer hat der Verlag bereitgestellt: „Nur diese ISBN-Nummer alleine hat mich schon 280 Euro gekostet.“ 2014 unterstützte dann der albanische P.E.N.-Club die Veröffentlichung des zweiten Gedichtbands und der Autor erhielt den Diaspora-Preis. Im nächsten Jahr folgte ein dritter Platz bei einem albanischen Literaturwettbewerb für die Erzählung „Die Blauäugige“, die zum Keim für die gleichnamige Erzählsammlung wurde, sowie weitere Gedichtbände.

Autor: Eva Kohl, © Gehört.Gelesen 2018

Mit freundlicher Genehmigung des CIA und der Redaktion der Gehört.Gelesen