Satirische Betrachtung zum Thema Hygiene

In einigen Supermarkt-Ketten sind wieder einmal die Hygienevorschriften in Diskussion. Besonders der hygienische Nutzen von Einweghandschuhen ist heiß umstritten. Vor genau zehn Jahren hatte ich in einem Kaffeehaus ein Erlebnis dazu, das ich in einem satirischen Essay zusammenfasste - der Aktualität wegen hier nochmals in Kurzform:

Frühstück ist gesund

Nach einer längeren Bahnfahrt blieb mir vor meinem Termin noch etwas Zeit für ein ausgiebiges Frühstück in der Bäckerei der Bahnhofshalle. Gesagt getan—man tut seinem Körper ja gern ´was Gutes und ein reichliches Essen am frühen Vormittag soll ja besonders wertvoll und gesund für den restlichen Tag sein. Während ich genüsslich meinen Kaffee schlürfte, beobachtete ich die Kellnerin, die mir eben mein Kipferl serviert hatte, bei ihrer Arbeit.  Wie eine Biene sauste sie von hier nach dort, um alle ihre Kunden zufrieden zu stellen. Fasziniert bestaunte ich ihre flinken Hände—die Rechte ordnungsgemäß in einen dünnen Gummihandschuh gesteckt — die frisch Gebackenes ausgaben und Geld entgegen nahmen.

Mit diesem Gummihandschuh ist das so eine eigene Sache: Da hat doch der Gesetzgeber zum Schutz der Konsumenten bestimmt, dass unverpackte Ware nicht mehr mit der bloßen Hand angegriffen werden darf, sondern nur noch geschützt mittels sauberer PVC-Schicht. Ad absurdum geführt wird diese Bestimmung leider durch die Praxis, da die meisten VerkäuferInnen wechselweise sowohl die Ware, als auch das Geld, welches ja stark Keimbelastet ist, mit ein und dem selben Handschuh angreifen.

Nun sei´s drum, ich beobachtete also die flinken Hände der Verkäuferin, fixierte immer mehr den cremefarbenen Handschuh, der Kipferl ausgabt, Geld entgegen nahm, Wechselgeld ausgabt, Kaffeetassen und Mehlspeisteller trugt, und wieder Zimtschnecken und Semmeln einsortierte. Nach wenigen Minuten wanderte die Verkäuferin—und mit ihr der Handschuh—in ein kleines, verstecktes Kammerl  hinter der Verkaufsbudel. Die Tür lies sie einen Spalt breit offen, so konnte ich ihr weiter zusehen. Nun wurde das schmutzige Geschirr gespült. Der Handschuh durfte dabei frisch und fröhlich im Spülwasser plantschen, dass der weiße Schaum wie die Gischt des Meeres spritzte und weiche Schaumhügel auf dem cremefarbenen PVC-Handschuh hinterließ. Gerade in diesem Moment kam wieder ein Kunde herbei. Die Verkäuferin, die eben einige Essensreste von einem Teller in den Mülleimer putzte, erschrak heftig; so heftig, dass der Löffel, der noch am Tellerrand gelegen hatte, mit in den Abfallkübel rutschte. Hurtig griff sie mit der Hand—natürlich mit der behandschuhten Rechten—in den Müll, fischte den Löffel heraus und ließ ihn beim Vorbeigehen ins Abwaschwasser platschen. Dann zischte sie in den Verkaufsraum, begrüßte höflich den Eingetretenen und gabt das erbetene Korngebäck heraus—als Rechthändlerin natürlich mit der behandschuhten Hand. Gut, dass der ernährungsbewusste Käufer nicht wusste, wie sehr „bio“ - im Sinn von 'lebendig' - sein Vollkornsemmerl jetzt war.

Ich schob den Rest meines Frühstück-Kipferls beiseite, bezahlte und fasste den Entschluss, beim nächsten Mal an einer Tankstelle eines dieser fertig abgepackten Tramezzinis zu kaufen.

Autor: Eva Kohl 2008, 2018

Original: CIA-News 2008