Sezieren im Biologieunterricht

Die Diskussionen sind emotionsgeladen und ein niederösterreichischer Pädagoge wird zum Ungeheuer abgestempelt. Ich kann die  aufbrausenden Gefühle der Eltern, die ihre Kinder schützen möchten, sehr gut verstehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber zwei Fragen in den Raum stellen, die wir uns beantworten sollten, bevor wir einen Menschen an den Pranger stellen - zwei Fragen, die uns vielleicht auch helfen könnten, den Biologieunterricht und die Pädagogik generell zu überdenken.

Ist sezieren im Regelunterricht erwünscht oder notwendig?

Besagter Lehrer ist ganz und gar nicht der einzige Pädagoge Österreichs, der im Biologieunterricht mit den Kindern Tiere seziert. Es mag wohl sein, dass es für manches Kind einfacher ist, einen toten Fisch zu zerlegen, den es vielleicht ein paar Tage später beim Sonntagstisch genauso entgräten würde, als ein Kaninchen. Aber wo ziehen wir die Grenze? Ist es generell notwendig oder überhaupt erwünscht, mit den Kindern im Regelunterricht Tiere wie Schauobjekte zu zerlegen? Ist es bei der Schüleranzahl einer normalen Schulklasse möglich, den Schülern beim sachlichen Zerlegen von der rein objektiven Betrachtungsweise des Gegenstandes Tierkörper oder -körperteil zu einer ethischen Betrachtungsweise der Achtung zu führen, oder laufen wir Gefahr, die Schüler durch diesen "praktisch-orientierten" Unterricht zu verrohen? Ab welchem Alter kann ich einem Kind zumuten, wovor eine Mehrzahl der Erwachsenen sich ekelt?

Oft habe ich schon das Argument gehört, in den USA seien derartige Unterrichtsmethoden schon seit langem erprobt. Es konnte mir aber noch niemand sagen, ob die Auswirkungen auf die Jugendlichen auch beobachtet wurden und wie weit gewisse Verrohungstendenzen, wie wir sie aus Zeitungsberichten kennen, durch diese Unterrichtsmethoden untermauert werden.

Sind Kaninchen mehr wert als Fische oder Frösche?

Auch in anderen Klassen wurden in der letzten Vergangenheit an der Unterstufe verschiedene Tiere seziert. Beim Sezieren des Kaninchens ist der Unmut der Bevölkerung laut geworden. 

Wenn uns beim Kaninchen bewusst wird, dass das Zerlegen eines Tieres im Unterricht unerwünscht ist, wir das bei Fischen, Fröschen und anderem "Getier" aber problemlos dulden oder sogar gutheißen, dann bedeutet das doch, dass wir Tiere nach ihrer Art werten. Wer gibt uns das Recht dazu? Ist ein Fisch lebensunwerter oder gefühlloser als ein Kaninchen. Und das Argument, dass Fische schließlich sowieso zum Verzehr gezüchtet werden, zählt sicher nicht, denn das trifft auf Kaninchen gleichermaßen zu. 

Darf ich essen, was ich nicht fangen und töten könnte?

Alle Mitbürger, die nicht Vegetarier sind, mögen sich überlegen, wie jene Tiere, die sie täglich in verschiedener Aufbereitung essen, gelebt haben und getötet wurden. Wer je Zutritt zu einem großen Schlachthof hatte oder Filmaufnahmen von dort kennt, der kann die rasche und sachgemäße Tötung mittels Bolzenschussapparat oder Genickschlag und anschließender Aterienöffnung eigentlich nur begrüßen, da sie wesentlich stressfreier und humaner als die "Tötung am Fließband" in großen Schlachthöfen ist. Dass da wie dort die Achtung vor dem Leben und den Empfindungen der Lebewesen gebietet, mit der nötigen Fertigkeit und Sorgfalt ans Werk zu gehen, versteht sich von selbst.

Zuletzt meine Bitte an die Pädagogen, die Biologie vermitteln sollen

Bitte liebe Pädagogen verschont unsere Kinder und Jugendlichen vor verpflichtendem Sezieren egal welcher Tiere. Ob das in kleineren Gruppen in einem Neigungsfach mit der entsprechenden ethischen und emotionalen Begleitung angeboten werden kann, ist sicher im Einzelfall zu entscheiden.

Bitte liebe Eltern nützt die Möglichkeit, euren Kindern nahe zu bringen, dass Fleisch essen notwendiger Weise Leben töten in sich birgt und das auch die Basis für eine gewisse Achtung vor diesen Lebensmitteln mit sich bringen sollte. Und dass wir als Fleischesser jene nicht verteufeln dürfen, die für uns den Akt der Tötung fachgerecht und möglichst human durchführen - denn ein Kaninchen kann ebenso herzig sein wie ein Kalb, ein Kitz, ein Ferkel oder ein Füllen. Und wer schon aus einem Küken einen prächtigen Hahn hat werden sehen, wird auch bei der nächsten Suppe hoffentlich etwas andächtiger löffeln. 

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